Oh, wie ich es liebe, dieses Wort "Schwachsinn" ohne weitere Begründung, deutet es doch überlegenes Wissen an, das unhinterfragbar sein sollte. Eigentlich sollte ich nicht beunruhigt sein, des nach Eigenschätzung kundigen Posters Postleitzahl ist weit genug entfernt, so dass ein Akkubrand in seiner Umgebung keine Auswirkung auf mein Wohlbefinden haben würde. Eigentlich könnte ich ihm da seine 90-95° gönnen.
Aber da ich der Meinung bin, dass jeder ein Anrecht auf Bildung hat, eigentlich sogar eine Pflcht nach solch einem Post, gebe ich gerne etwas Nachhilfe.
Die chemische Degeneration in den Lithiumakkus beginnt bei / ab 60°. Die Quelle dafür findet man bei großen Internetsuchmaschinen, hier also ohne Quelle zwecks Stärkung der Eigeninitiative zur eigenständigen Recherche.
Mit etwas weiterer Recherche kommt man auf Dokumente wie dieses
https://enerdan.awsapps.com/workdocs/in ... aebe51d8a8 , wobei ich das Augenmerk insbesondere auf die Punkte 4.3.1 und nachfolgende lenken möchte, die sich mit der Lebensdauer bei bestimmten Umgebungskonditionen befassen. Leider ist das Dokument in englischer Sprache verfasst, aber das sollte für Spezialisten ja kein Problem sein. Aber mehr als 60° ist wohl weniger gut und läßt die Kapazität recht zügig auf etwas über 80% sinken. Es finden also irreversible Änderungen innerhalb der Zelle statt. Das ist jetzt blöde, aber wir merken uns das mal einfach für den nächsten Absatz, und können dann gerade erst erlerntes Wissen sofort mit neuem Wissen verknüpfen. Oder auch nicht, aber das ist nicht mein Problem.
Nun könnte man ja auch argumentieren, dass der Thermal Runaway ja erst ab 120° losgeht
https://www.nasa.gov/sites/default/file ... lobato.pdf (was komischerweise unterhalb der Schmelztemperatur eines Separators aus Polymerstoffen ist, der erst ab 165° schmilzt), aber dummerweise werden die Tests mit fabrikneuen Zellen gemacht, bei denen die chemische Degeneration noch nicht in größerem Umfang stattgefunden hat, die noch keine dreistellige Anzahl von Ladezyklen erlebt haben und noch nicht auf dem Pedelec oder Roller eine vierstellige Anzahl von Schlaglöchern mitgemacht haben, und die nicht 37 mal in praller Sonne im schwarzen Außengehäuse gestanden haben, und die auch noch ohne Dendriten sind. Das ist nun blöde, weil wir nicht wissen, unter welchen Bedingungen und Umständen diese Zellen im gealterten Zustand zum Durchgehen neigen, aber wir erinnern uns vielleicht an die Schilderung eines ehemaligen EVT4000-Fahrers vor ein paar Wochen, bei dem nach Jahren des problemlosen Gebrauches aus heiteren Himmel der Akku zur Selbstentzündung neigte. Ok, beim UNU hätte man das eher erwartet, auch bei Temperaturen unterhalb von 60°

Es gibt also gute Gründe dafür, die Zellen nicht altern zu lassen durch "60° und 95° machen gar nichts".
Wenn denn nur eine Zelle durchgeht, entwickelt die auch mal 1100°, was dafür sorgt, dass auch die Nachbarzellen "nachziehen". Es gibt wirklich tolle Videos von abbrennenden Elektrorollern, wo eine Zelle nach der anderen hochgeht. Das ist optisch so schön wie eine dieser 50€-Pyrotechnikbatterien vom Polenmarkt, nur nicht ganz so laut.
Kommen wir nochmal zu einem spannenden Teil, der Innenaufbau chinesischer Akkuboxen. Der hat in einigen Fällen durchaus einen hohen Unterhaltungswert, wild verlegte und gequetschte Kabel von den Zellen zum BMS, gerne mit Heißkleber in Position gehalten (ja, ok, der schmilzt erst ab 100°), billigstes Isolierband (kennt man aus dem Baumarkt, die Körbe vor der Kasse, in drei Farben 2.99€), das sich schon ab 50° in Schmiere verwandelt. Ob der verwendete Kleber chemisch mit den Kabelisolierungen interagiert oder sich zersetzt ist ein Problem, das erst dann möglicherweise auftritt, wenn der Akku schon in Europa ist (also so ähnlich wie damals beim UNU, wenngleich wir nicht die Ursache, sondern nur die Wirkung kennen ...). Leider gibt es Druckdateien bei thingiverse und Konsorten, mit denen man Zellenabstandshalter drucken kann, und PLA ist nunmal billig und mit den einfachsten Druckern zu verarbeiten, hat aber in Akkus nichts verloren, nur das weiß der dortige "Facharbeiter" nicht so aus eigener Anschauung, und wenn es doch weich wird, dann hat man ja immer noch die Zellenverbinder, die für eine gewisse Stabilität sorgen. Was soll da schon passieren ...
Einfacher Tipp, um diesen Beitrag zu wiederlegen: einen schönen Pedelec-Akkupack bei ca. 95° für eine Stunde in Muttis vorgeheizten Backofen schieben, Kamera nicht vergessen, das Ergebnis interessiert uns alle.