Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

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Kobuk19
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Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

Beitrag von Kobuk19 »

Der Roller ist ein Solar-Scooter SCI-3038 (ERIDER B3000), Motor 3kW, Baujahr 2011.
Ursprünglich verbaut waren 5 Stück Blei-Akkus Multipower MP36-12C 12V 36Ah (ergeben 60V / 2,16kWh).

Technische Daten
  • Zellen Bauform 18650
  • Aufbau 18s14p
  • Spannung nominal 66,6V (auf 4,1V pro Zelle = ca. 90% geladen 73,8V)
  • Kapazität 40,6Ah bzw. 2,7kWh
  • 252 Zellen
  • Gewicht ca. 13kg (gegenüber 5x Blei á 11kg = 55kg!)
  • Platzbedarf etwas kleiner als 3 Blei-Akkus (2 Plätze bleiben frei)
Auswahl der Zellen
Ich habe mich gegen Recycling-Zellen entschieden. Die wären zwar noch günstiger, aber ich wollte den enormen Zeitaufwand für das Prüfen und Sortieren gebrauchter Zellen vermeiden.
Bei den neuen Zellen bevorzuge ich Panasonic/Sanyo, Samsung, Sony oder LG; unbekannte Exoten vermeide ich.
Das Preis-/Leistungsverhältnis ist derzeit bei den Zellen mit rund 2.900mAh am besten. Bei der im Forum schon öfter erwähnten Firma in den Niederlanden (erster Buchstabe N - oder darf ich hier den vollen Namen nennen?) kosten sie aktuell (Sept. 2019) etwa 2,20 bis 2,50€ pro Stück, d.h. mein Paket mit 252 Zellen bleibt knapp unter 500€.

Noch etwas günstiger wird es mit sogenannten "refurbished" Zellen, die dort angeboten werden. Das sind fabrikneue Zellen, die allerdings schon einmal in ein Akkupaket eingebaut wurden, sie haben also an den Anschlüssen Spuren von der Punktschweißung. Diese Pakete sind wahrscheinlich bei der Endkontrolle durchgefallen, danach wird erfreulicherweise nicht das ganze Paket weggeschmissen, sondern defekte Zellen werden aussortiert und die guten als "refurbished" verkauft. Ich sehe keinen Grund, warum diese Zellen schlechter sein oder eine kürzere Lebenserwartung haben sollen als die ganz neuen. Die "refurbished" Zellen kosten aktuell etwa 1,80 bis 1,90€.

Mechanischer Aufbau
Die Basis ist ein Paket mit 6 x 7 = 42 Zellen. Zwei Reihen mit 7 Zellen bilden einen 14p Block, sechs Reihen ergeben also 3s14p.
Zwei solche Blöcke werden zu einem 6s14p mit Baugröße etwa 140x120x140mm. Das kommt in eine Kunststoffbox und findet gut dort Platz, wo früher ein Blei-Akku war (etwa 200x135x160).
Drei 6s14p in Serie ergeben 18s14p.
20190914083003_IMG_1848_k.jpg
Integrierte Einzelsicherungen
Die Pluspole der Einzelzellen werden nicht untereinander verbunden, sondern jeder einzeln mit einem 5x0,15 oder 6x0,15 Nickelband an die (miteinander verbundenen) Minuspole der benachbarten Reihe angeschlossen. Die 6mm breiten Bänder bekommen eine Sollbruchstelle eingestanzt. Falls eine Zelle einen Kurzschluss erleidet, können die 13 parallel geschalteten Nachbarn kurzzeitig wahrscheinlich über 100A liefern. Das Sicherungsband brennt bei etwa 15-20A verlässlich an der Sollbruchstelle durch und verhindert somit hoffentlich größere Schäden. Im Normalfall liefert der ganze Akku etwa 50A (3kW bei 60V), d.h. eine Zelle liefert etwa 3,6A.
Die Idee mit den Einzelsicherungen ist natürlich nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern von den Tesla-Akkupaketen abgeschaut. Dort wird allerdings ein runder Draht verwendet. Weil ich keine Drähte punktschweißen kann, sondern nur Nickelbänder, habe ich mich für diese Variante entschieden.
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BMS
Smart-BMS 8s-20s 80A mit Display und Bluetooth (etwa 90€).
Wenn man auf Display und Handy-App verzichten kann, reicht ein einfaches BMS um etwa 25-30€.

Punktschweißgerät
20190914083520_IMG_1852_k.jpg
Selbst gebaut auf Grundlage einer Beschreibung im Pedelec-Forum, bisher für E-Bike Akkus mit 30-60 Zellen verwendet. Bei 0,15mm dickem Nickelband reichen zwei von den dicken Kondensatoren. Weil ich aber auch Bänder mit 0,2 oder 0,3mm verarbeite, habe ich auf drei Kondensatoren aufgerüstet. Je nach Dicke des Bandes verändere ich die Versorgungsspannung im Bereich zwischen 13V und 18V.

Das schwarze Kästchen am weißen Kabel (im Bild links unten) ist übrigens der Fuß-Taster. Man braucht ja beide Hände für die zwei Elektroden. Eine Schutzbrille wird dringend empfohlen. Abgesehen davon ist es wegen der geringen Spannung völlig ungefährlich.

Erster Test
Die erste Fahrt zaubert mir ein breites Grinsen aufs Gesicht. Ich finde die Beschleunigung mehr als ausreichend, um im Stadtverkehr mitzukommen. Die Höchstgeschwindigkeit hab ich noch gar nicht getestet, dazu brauche ich eine Landstraße und eine Handyhalterung zwecks GPS. 70km/h sollten wohl möglich sein.

Zur Reichweite kann ich noch nicht viel sagen, hoffe aber, dass sie deutlich über der serienmäßigen mit 60V 36Ah Blei liegen wird. Details folgen sobald ich das gründlich testen kann.

Was fehlt noch?
Die Gehäuse sind noch in Arbeit.
Und ich plane eine Thermostat-gesteuerte Akku-Heizung, damit ich wenn nötig auch bei Minusgraden aufladen kann.

Wie gefällt euch das?
Was könnte ich noch einfacher oder besser machen?

Und falls jemand Lust bekommt, selbst auch so etwas zu bauen: das Punktschweißgerät stelle ich gerne leihweise zur Verfügung. Praktikabel ist das aber nur in der Nähe (Wien und Umgebung), denn es ist nicht so gebaut, dass man es gut verpacken und verschicken kann. Bei Interesse bitte PN.

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MEroller
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Re: Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

Beitrag von MEroller »

Cooles Projekt, und mit Köpfchen aufgebaut. Jetzt muss nur noch das BMS korrekt parametrisiert werden, und überwacht werden, dass es nicht selbst den Selbstbauakku zerstört - von wegen Riefentladung einzelner Zellblöcke und so. Was wir nicht hoffe wollen, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Bezüglich Akkuheizung hat glaube ich ein Volker hier im Forum schon mal was ähnliches mit Rundzellen gemacht, VU und eine Zahl dran war glaube ich sein Kürzel. Vielleicht findest Du in seinem Projekt Inspiration :D
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Re: Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

Beitrag von STW »

Gestern Abend bin ich nicht dazu gekommen und heute hatte ich es vergessen zu kommentieren: das gefällt mir richtig gut.

Jetzt fehlen nur noch Links auf die Einzelteile, den Bauplan für das Punktschweißgerät (das ist mal eine geile Sache), und ich wäre glücklich. Klasse finde ich die Idee, das Nickelband als Sicherung zu "mißbrauchen". Auf die Idee wäre ich nicht gekommen.
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Joehannes
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Re: Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

Beitrag von Joehannes »

Hab ich das nicht schon mal hier gesehen? Hat nicht Volker so einen Akku schon mal gebaut? Für seine Baoya.

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MEroller
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Re: Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

Beitrag von MEroller »

Mensch Hannes, das habe ich doch schon geschrieben :D Ich gehe mal den Link dahin suchen...

Ha, da ist er, volle 33 Seiten lang, in diesem Unterforum:
viewtopic.php?t=4674
Kobuk19, lies Dich da mal ein, am Besten ab dem ersten Beitrag von Volker VU18650PF :mrgreen:
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Joehannes
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Re: Günstiger DIY-Lithium Akku als Ersatz für 5x Blei

Beitrag von Joehannes »

Genau....Das waren Rundzellen aus Holland. Die Baoya ist baugleich zum Thunder oder GK183. Er ist mit dem Roller von WÜ nach CO 130 km gefahren und nach Teilladung wieder zurück. Leider seit Juli hier nicht mehr anwesend. Aber Beide gibt es noch. ;)

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Günstiger DIY-Lithium Akku, Teileliste und Bezugsquellen

Beitrag von Kobuk19 »

Danke für das positive Feedback!
Hier ist die gewünschte Teileliste mit Bezugsquellen.

Akkus Samsung INR18650-29E, oder Panasonic/Sanyo, Sony, LG, etc.
siehe https://eu.nkon.nl/rechargeable/18650-size.html
Es müssen keine Hochstrom-Typen mit 10A oder mehr sein, weil in meiner Konfiguration 14 Zellen parallel geschaltet sind, und eine Zelle daher nur etwa 3,6A liefern muss (bei 50A gesamt Strom).

Battery Spacer Holder 3-fach, siehe https://eu.nkon.nl/accessories/bms-batt ... pacer.html
Anzahl Spacer = Anzahl Zellen / 3 x 2 = 252 / 3 x 2 = 168 Stück

Nickelband 8x0,2mm für die dicken Verbindungen, 2-3 Lagen dort wo mehr Strom durch muss, etwa 4m.
Nickelband 5x0,15mm oder 6x0,15mm für die "Sicherungen", etwa 2m
Große Preisunterschiede, wenn man Zeit hat, am besten bei AliExpress bestellen.

Zum Stanzen der Sollbruchstellen für die Sicherungen reicht ein alter Büro-Locher!

Kupferdraht 6mm² für die Plus-Zuleitung und die Verbindung der Minus-Enden, als Aderleitung im Baumarkt kaufen, siehe
https://www.hornbach.at/shop/Aderleitun ... tikel.html

Verkabeln mit Litzendraht 6mm² oder besser 10mm², Fahrzeugleitung oder Silikonleitung, siehe z.B.
https://www.ebay.at/itm/Auprotec-Fahrze ... 749.l2649

BMS z.B. https://www.ebay.at/itm/Smart-Lifepo4-l ... 749.l2649

Selbstbau Punktschweißgerät siehe
https://www.pedelecforum.de/forum/index ... 21/page-10
auf Seite 10 in diesem langen Thread findet man den Schaltplan.

Zur Akkuheizung schreibe ich noch mal ein extra Thema, sobald sie fertig und getestet ist.

Viel Erfolg beim Nachbauen!
Zuletzt geändert von Kobuk19 am Sa 21. Sep 2019, 23:20, insgesamt 3-mal geändert.

Kobuk19
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Unterschiedliche Dimensionierung des Lithium Akkus

Beitrag von Kobuk19 »

Danke MEroller für den Link zu dem langen Thema von Volker!
Sehr anschaulich, hatte ich auch schon mal durchgeblättert.

In den Blei-Rollern ist ja so viel Platz für Akkus, dass man locker Lithium für >100km Reichweite einbauen kann.
Ich fahre kaum mehr als 30-40km am Tag, deshalb habe ich mich für die günstige 14p Variante mit rund 40Ah / 2,7kWh entschieden.
Mal sehen welche Reichweite ich damit in der Praxis schaffe.

Es spricht aber nichts dagegen, einen etwa doppelt so großen Akku zu bauen, dann kann man auch auf große Tour gehen.

Ich denke gerade über einen "Range-Extender" nach. Nein, natürlich kein Verbrenner, sondern eine Kiste mit 18650er Akkus.
Den könnte man auch für andere Fahrzeuge verwenden (wir haben z.B. ein Lastenrad) oder als richtig dicke Powerbank für Veranstaltungen irgendwo in der Pampa wo es weit und breit keinen Strom gibt. Aber jetzt muss erst mal der Roller fertig werden...

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Günstiger DIY-Lithium Akku, Update: Reichweite nach den ersten Tagen in der Praxis

Beitrag von Kobuk19 »

Inzwischen bin ich neben einigen kurzen Strecken zweimal je etwa 50km weit gefahren.

1. Tag, 49km laut GPS, überwiegend Stadt (Wien ist ziemlich hügelig) und kaum über 50km/h:
Verbrauch 27,5Ah = 68% von 40,6Ah
2. Tag, 53km laut GPS, auch Überland nach Baden und retour, wo möglich >60km/h
Verbrauch 33,6Ah = 83% von 40,6Ah

Verbrauch 60Ah/100km bzw. ziemlich genau 4kWh/100km.
Reichweite bei dieser Fahrweise also 75km. Das reicht mir, mein Ziel waren 50-60km.
Dafür habe ich ja auch nur ca. 13kg Lithium-Zellen an Bord und weniger als 500€ für die Zellen ausgegeben...
Und mit etwas mehr Zurückhaltung am Gasgriff sind bestimmt 80-90km möglich.

Was mich richtig begeistert ist das chinesische Smart-BMS mit Bluetooth und App. Damit kann ich bei Bedarf während der Fahrt Spannung, Strom und Verbrauch genau sehen... (ups) natürlich nicht während der Fahrt aufs Handy gucken, sondern kurz stehenbleiben und nachsehen! Auch der konfigurierbare Balancer funktioniert sehr gut. Nach etwa 4 Ladezyklen pendeln sich die Differenzen bei 0,01V ein. An die paar chinesischen Schriftzeichen in der App werde ich mich gewöhnen, ist echt kein Problem, alle relevanten Infos sind gut verständlich in Englisch beschriftet.

Aus mir wird noch ein richtiger Elektroroller-Fan. Ich war beide Tage fast ununterbrochen mit breitem Grinsen unterwegs...

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MEroller
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Re: Günstiger DIY-Lithium Akku, Update: Reichweite nach den ersten Tagen in der Praxis

Beitrag von MEroller »

Kobuk19 hat geschrieben:
Fr 27. Sep 2019, 11:39
Ich war beide Tage fast ununterbrochen mit breitem Grinsen unterwegs...
Das wird auch kaum verloren gehen, solange das Zweirad seinen Job zur Zufriedenheit erledigt :D
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