Kumpan insolvent

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Westfale
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von Westfale »

Ehrlich gesagt bin ich über die Statistik erschrocken.
Denn so geringe Verkaufszahlen hätte ich niemals erwartet.

Basti80
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von Basti80 »

Westfale hat geschrieben:
Do 16. Feb 2023, 13:50
Ehrlich gesagt bin ich über die Statistik erschrocken.
Denn so geringe Verkaufszahlen hätte ich niemals erwartet.
Mich mich nicht so sehr. Hier stehen massenhaft Leih-Roller und Leih-Scooter auf der Straße, und in meinem weit gefassten Umfeld kenne ich auch nur eine Person, die ebenfalls Roller fährt. Das ist aber ein 125er Verbrenner-Roller.

Gruß
Basti

STW
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von STW »

Es ist die Zulassungsstatistik - das umfasst keine Fahrzeuge mit lediglich Versicherungskennzeichen. Und wahrscheinlich auch nicht die freiwilligen Zulassungen, sonst müßten die Zahlen deutlich höher sein, weil die allermeisten Leih-Nius in Berlin bereits eine freiwillige Zulassung haben.

Somit würde ich mich eher auf die Zeitungsmeldungen verlassen, und da stand etwas von 13 Rollern pro Tag im Schnitt werden produziert - sicherlich dann überwiegend in der 45km/h-Liga. Macht bei rund 240 Werktagen ca. 3000 Roller pro Jahr. Bei 75 Mitarbeitern muss also jeder produzierte Roller das Tagesgehalt von knapp 6 Mitarbeitern, Miete, Kreditbedienung, Versicherungen, Werbung, ... einbringen zzgl. eventuelle Gewährleistungsfälle. Macht dann locker 1500€ pro Roller. Zzgl. Material, Lager, Zoll, Steuern, ....

Irgendjemand hatte Unu hier eingeworfen - nach meinem Verständnis kaufen die die Kisten fertig ein und verteilen die hier. Da kann man mit wesentlich kleinerer Truppe arbeiten, und dementsprechend kleineren Preisen anbieten.

Damit ist klar, dass der Produtktionsstandord DE zu teuer ist, und technische Innovationen sind kaum noch erzielbar. Lediglich bei Produkten mit wesentlichem Alleinstellungsmerkmal kann man noch kostendeckende Preise erzielen und wirtschaftliche Umsätze produzieren. Wir waren mal in vielen Bereichen richtig gut, z.B. Fahrzeugbau, Elektronik, Computer, Kraftwerkebau. Davon hat nichts überlebt. Letzte Bastionen sind Maschinenbau und Waffentechnik. Der Automobilbereich stirbt gerade bis spätestens 2035, wir sehen es jetzt schon an der Zuliefererindustrie, und dann beginnt die Kubanisierung des noch rollenden Materials. Da ist es gut, dass ich eine überschaubare Lebenserwartung habe.

Also: 3000 Roller pro Jahr, denen es an Alleinstellungsmerkmalen fehlt, reichen nicht zum Überleben.

Vergleichen wir mal:
Zündapp Z22 von 1921 - 1924 10T produziert, also ca. 3000 / Jahr (und das war nur ein Produkt neben vielen anderen)
1925 - 1928 das "Einheitsmodell" mit 25T, also ca. 8000 pro Jahr.
Hercules: 1908 mit 220 Beschäftigten 13T Motorräder produziert (ungefähr gleichauf mit Kumpan um Verhältnis)
Zwischen 1977 und 1980 zwischen 150T bis 200T Mofas, also minimum 50T pro Jahr
1981 halbierte sich die Mofaproduktion gegenüber 1978, und die Japaner kamen zunehmend an bei den Zweirädern
Hercules erreichte in den Folgejahren bei den Leichtkrafträdern über 30% Marktanteil, aber die Gesamtverkaufszahlen gingen zurück auf 37T für ganz Westdeutschland, macht rund 12T für Hercules, und damit wurde es bereits "eng". Nach Insolvenz, Verkäufen, ..., ist Hercules jetzt die SFM, produziert wird sonstwo.
Die zugrundeliegenden Zahlen sind jetzt zusammengesucht und leider nicht ganz stringent, eine schöne Tabelle habe ich nicht gefunden, also kann man damit nur Grobvergleiche anstellen. Ich würde kein Unternehmen gründen wollen, das elektrische Mopeds herstellt. Ich würde da auch nicht meine Ersparnisse reinstecken. Der Absatzmarkt ist einfach zu überschaubar.
RGNT V2 ab 01/23 > 8000km
NIU NGT ab 06/20 Km-Stand > 36000km, nach Unfall verkauft in 5/23
Niu NPro seit 09/19 Km-Stand > 8000km - Verkauft in 10/22
Ahamani Swap Bj 2007 - 2.4KW - Vario - Km-Stand > 27.000km - 40AH Thundersky ab 11/08 - CALB 70AH seit 10/11 -Verschrottung 09/19

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rainer*
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von rainer* »

Vergleichen wir mal - bei Simson wurden 184.254 Fahrzeuge gebaut - in einem Jahr. Insgesamt rund 6 Mio. Fahrzeuge bis zur Wende. Das waren chinesische Zustände :lol:

STW
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von STW »

Und die chinesischen Verhältnisse bezogen sich nicht nur auf die Stückzahlen. :D Die Simson war ja auch recht gut, was ich als geborener Wessi echt anerkennen muss - obwohl sie keine Konkurrenz hatte nach meinem Wissen - außer der Bestellschein für den Trabbi war schon 10 Jahre alt. Aber Konkurrenz hatte der Trabbi ja auch nicht und war meistverkauftestes Fahrzeug über Jahrzehnte und konnte dank des ausgefeilten technischen Konzeptes in dieser Zeit nahezu unverändert gefertigt seine Käuferschicht finden. :D
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callmeuhu
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von callmeuhu »

MZ, Java

das kannte vor 1998/1990 keiner im Westen. Erst im Vergleich zu Simson, sahen Zündapp, Kreidler&Co alt aus. Die Prämisse der Ostmoppeds war doch: JEDER muss die reparieren können. Die Redakteure von der AMS waren 1989/1990 beeindruckt vom SR50 Blechroller.
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von STW »

Die Jawa und MZ gab es im Neckermann- oder Quellekatalog. Aber die konnten nicht gegen die Westmopeds anstinken, die sahen schon im Katalog billig aus, und wurden nur von Rentnern und Uncoolen gefahren (ja, tut mir leid, aber so war das damals bei uns), die sich auch mit einer Mobylette zufrieden gegeben hätten.
Die große Zeit der Mopeds war in den 60ern bis Anfang der 70er, für eine Kreidler Florett aus den 60ern würde ich jede Simson stehen lassen, die Zündapps waren mehr als robust, ebenso Hercules. Nachteil war die Limitierung auf 40km/h, da durfte die Simson ja 60km/h. Die Kreidler Florett ließ sich mit dem Kleinkraftradsatz auch auf mehr als 80km/h aufmöbeln, aber leider war die Rennleitung schon damals recht aktiv. :D
Über 40 km/h brauchte man schon einen fetteren Führerschein und hätte dann ein Kleinkraftrad mit bis zu 85km/h fahren dürfen - der große Nachteil war die teure Versicherung, weil diese Kisten fast nur von Jugendlichen gefahren worden sind mit einer erschreckenden Unfallhäufigkeit. Und Anfang der 80er war der Boom dann vorbei, mit Umstellung von Führerscheinklassen, dann zunächst preiswerter japanischer Konkurrenz, die die hiesigen Hersteller weitgehend verdrängte.

Hinsichtlich der Reparatur: wenn mein Hercules-Mofa kaputt war, ging ich in den Mopedladen, habe die passenden Teile eingekauft und verbaut. Da wurde dann mal schnell nebenbei ein Pyramidenkolben geschnitzt und andere Kampfwertsteigerungsmaßnahmen durchgeführt. Da konnte auch fast jeder ohne Spezialwerkzeug reparieren, die waren ähnlich einfach aufgebaut wie die Simson. Es waren ja alles einfache Zweitakter. Und viele Bauteile waren innerhalb eines Herstellers einfach gegen die anderer Modelle auszutauschen, so dass Teileverfügbarkeit und illegales Tuning recht einfach war.
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von callmeuhu »

Der Werktätige in der DDR, fuhr am Montag wieder mit der Simson zur Arbeit. die Freitag kaputt ging. Ohne Nachbarsschaftshilfe&Tauschhandel funktioniert das nicht.
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achim
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von achim »

Im Wesentlichen kann ich das so bestätigen, es war ja "meine" große Zeit. Wenn man ehrlich ist waren aber damals schon die Hercules, Zünsdapps und Kreidlers überholt. Als die Japaner mit den Kleinkrafträdern nach Deutschland kamen wurde es eng für deutsche Hersteller. Die Deutschen sahen immer aus wie Mopeds, die Japaner wie kleine Motorräder. Die Instrumente der deutschen Zweiräder sahen eher billig aus, der ewig tropfende Bing Vergaser war überholt und das Ziehkeilgetriebe war den Klauengetrieben der Japaner hoffnungslos unterlegen. Bei den Bremsen verhielt es dich ähnlich. Die seilzuggetriebene Scheibenbremse der K50Sprint war die reine Katastrophe. Einzig die Kreidler war da wirklich konkurrenzfähig und sah auch noch gut aus. Heute wird die, genau wie die Yamaha RD50 zu Horrorpreisen gehandelt.

Jahrzehnte später war der Kumpan auch mal im Focus meines Interesses. Aber die Verarbeitung war eher lausig bei vollkommen unrealistischen Preisen.

Und was mir hier in meinem Umfeld auffällt: Die Roller werden immer weniger. Selbst im Sommer kann ich die an einer Hand abzählen. Früher waren das viel mehr. Ich glaube, die Premium Fahrräder und Pedelecs haben den Rollern den Rang abgelaufen.

Meine Schwalbe hatte ich 4 Jahre im täglichen Einsatz und da ging nie was kaputt. War ja auch nicht allzuviel dran und fast alles aus solidem Blech. Wenn sie nur nicht so gequalmt und gestunken hätte. Auf der sind wir sogar zu dritt gefahren. Ich am Lenker die kleine Tochter in der Mitte, meine Frau hinten und auf den Schultern der gekaufte Weihnachtsbaum. War ne geile Zeit

Gruß,
Achim
Zuletzt geändert von achim am Do 16. Feb 2023, 21:31, insgesamt 1-mal geändert.

STW
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Re: Kumpan insolvent

Beitrag von STW »

Unser Mietmieter hatte die Florett, er ist da jahrelang mit zur Arbeit ins Kieswerk gefahren, bis es ca. 1975 für den ersten gebrauchten Käfer reichte. An einen Defekt kann ich mich nicht erinnern, wenn man mal die Bleifäden an der Zündkerze und die gelegentlichen Vergaserreinigungsaktionen außen vor läßt. Das Größte war, wenn er seinen Mopedanhänger anspannte und seine Tochter, meine Schwester und mich reinsetzte und durch die Gegend kutschierte, unsere kleinen Nasen keinen Meter hinter dem Auspuff. Die Muttis von heute würden Schreikrämpfe kriegen. :D . na gut, in Berlin transportieren die ihre Brut in Lastenräder auf Auspuffhöhe.

Zur Mobylette war ich gerade noch in Wikipedia, maximal 4500 Stück pro Tag produziert. Kumpan vielleicht 3000 im Jahr, um mal wieder aufs Thema zu kommen.

Vielleicht muss man sich gelegentlich mal vor Augen halten, dass die Zweiräder eine lange Zeit das einzige Fahrzeug waren, was sich ein Arbeiter erlauben konnte, die Dinger also wirklich eine wichtige und sinnvolle Investition waren. Heute haftet ihnen eher der Touch von Luxus an, weil für viele Leute das Auto an erster Stelle steht, und das motorisierte Zweirad eher ein nice-to-have ist. Das macht es schwierig, auf Stückzahlen zu kommen.
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