Liebes Forum.
Ich habe meinen Evo nun 3 Tage und möchte gerne einen ersten Eindruck mit Euch teilen. Einiges davon ist sicher subjektiv und Geschmacksache. Wie gesagt, es handelt sich dabei um meinen persönlichen Eindruck. ich möchte noch kurz vorausschicken, dass ich seit 15 Jahren täglich mit einem Verbrenner unterwegs bin (war), (zuletzt Piaggio TPH 125 , Viertakt) und im Durchschnitt täglich 15 km damit zurücklege (bei jedem Wetter, ausser bei Glatteis) . Ausserdem bin ich in meiner Freizeit leidenschaftlicher Motorradfahrer. (aprilia shiver 900, wen das interessiert). Hier also meine Punkte in Kurzform:
Beschleunigung:
Im Gegensatz zu anderen ist mir dieses Thema nicht so wichtig, da ich durch das Motorradfahren sowieso andere Kräfte gewohnt bin. Deshalb beeindruckt mich der Beschleunigungswert im Sportmodus auch nicht wirklich. Tatsache ist, dass der Evo schneller beschleunigt als mein Piaggio TPH 125. Die Beschleunigung im Dynamic Mode reicht aber schon voll und ganz, um zügig an der Ampel vorwärts zu kommen.
Fahrwerk.
Das Fahrwerk ist ziemlich straff abgestimmt, was man vor allem auf unebenen Straßen spürt. Ich persönlich mag das eigentlich. Der Geradeauslauf ist gut. Bodenwellen steckt der Roller gut weg Störend ist dabei nur, dass mein Topcase auf der Gepäckbrücke zu wippen beginnt. Wenn es leer ist, rumpelt es auch ordentlich, da es wie ein Resonator wirkt. Ich frage mich, ob das auf Dauer gutgeht mit den Schwingungen, oder ob da irgendwann mal irgendetwas an der Gepäckbrücke bricht. Nervig ist es auf jeden Fall jetzt schon. Auf meinem Verbrenner habe ich bisher kein TopCase gehabt, da mir der Stauraum unterm Sitz gereicht hat. Der ist aber beim EVO einfach begrenzt, so dass es nicht so einfach ist mal kurz die Lebensmittel aus dem Supermarkt zu verstauen. Grundsätzlich sollte man natürlich sowieso keine Flüssigkeiten unterm Sitz transportieren. Falls da was zu Bruch geht hat man unter Umständen einen Kurzschluss in den Akkus. In Kurven wirkt der Roller etwas nervös und kippelig, was meiner Ansicht nach an den relativ klein dimensionierten Rädern liegt. Das Kurvenverhalten meines TPH mit breiteren Reifen war hier deutlich besser.
Hauptständer
Eine Katastrophe ist die Schräglage. Die ist quasi gar nicht vorhanden, weil der Hauptständer sofort aufsetzt. Ich erwarte von einem Roller sicher keine Schräglage wie beim Motorrad. Das ist hier aber , wenn man es nicht gewohnt ist, ein Sicherheitsrisiko, da man beim Aufsetzen in geringer Schräglage so erschrickt, dass man den Roller aufstellt und den Radius ändert und die Kurve plötzlich viel weiter ausfährt. Ich werde bei der 1000 er Inspektion ernsthaft den Händler fragen, ob er mir den Hauptständer abbauen kann, zumal relativ viel Kraft notwendig ist, um den Roller aufzubocken. Dr Seitenständer würde mir voll und ganz reichen.
Reifen
Die Originalreifen habe ich vom Händler noch vor der Abholung tauschen lassen. Bei der Probefahrt hatte ich so ein schwammiges Gefühl, dass mir klar war dass die runter müssen. Vom Motorradfahren weiss ich, welchen Unterschied es macht, gute oder schlechte Reifen zu haben. Speziell im Winter und/oder bei nassen Strassen ist das ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsmerkmal. Zumal der Roller ja, im Gegensatz zu meinem Motorrad, kein ABS und keine Traktionskontrolle hat. Dazu kommt noch, dass die Reifen deutlich dünner sind als bei meinem TPH, was sich, wie oben schon erwähnt, vor allem in Kurven und unebener Fahrbahn bemerkbar macht. Auch ist der Grenzbereich zum Blockieren dadurch viel kleiner. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, das über die Reifenqualität auszugleichen. Ich fahre schon seit Jahren Heidenau M&S Reifen und habe damit gute Erfahrungen gemacht. Die habe ich auch diesmal wieder aufziehen lassen.
Sitzbank/Sitzhöhe
Für meine 1,70 Körpergröße ist die Sitzhöhe leider zu hoch, aber an dieses Problem habe ich mich schon gewöhnt. Ich muss an jeder Ampel einen Spitzentanz vollführen

Die Sitzbank ist bequem, wenn auch relativ hart (aber auch das ist mir lieber als zu weich). Die Nähte sind sauber und hochwertig verarbeitet. Die Sitzbank lässt sich auf 3 Arten öffnen: Schlüssel, Bluetooth Sender, doppeltes schnelles Drücken der Starttaste. Das ist prinzipiell gut. Nervig ist die Reaktionszeit über den Bluetooth Sender. Das dauert gefühlt 5 Sekunden.
Verbrauch und Reichweite
Die weiter oben vermutete Reichweite scheint zu stimmen. Ich bin bisher 59 km gefahren, das Display zeigt eine Restreichweite von 40 km an bei einer Batteriekapazität von 43%. Ich bin bisher immer die gleiche Strecke gefahren. 3km Zone 30 im E-Save Modus und 5 km durch den Stadttunnel im Sportmodus bei Tacho 85, keine Steigung oder Gefälle. Das Display zeigt dann für diese Strecke so einen Verbrauch von um die 45 Wh/km an. Temperatur war immer so um 9 Grad, ich bin eher ein Leichtgewicht mit 65 kg. Ich würde also sagen, dass bei moderater fahrweise 80 km Reichweite bei erreichen der 20% Akku Kapazitätsgrenze realistisch sind.
Verbrauchskosten im Vergleich zum Verbrenner pro 100km:
TPH 125 = 3,7 Liter/100km = 3,7 x 2,05€ = 7,60€
EVO = 4,5 kwh/100km = 4,5 x 0,35€ = 1,58 €
Ersparnis ca 6 €/100 km, bei meiner Laufleistung sind das 27€/Monat bzw 324€/Jahr
Zusammen mit der THG Prämie von 255 €/Jahr spare ich somit jährlich 579€ im Vergleich zum Verbrenner. Zu erwartende geringere Wartungskosten nicht miteingerechnet. Allerdings auch nicht miteingerechnet sind die Rücklagen für neue Akkus nach cq 500 Ladezyklen . Niu gibt in der App eine Lebensdauer von bis zu 1000 Ladezyklen an. Ich persönlich glaube da nicht dran und rechne lieber mal mit der Hälfte.
Bedienelemente:
Der Evo ist ja gut ausgestattet mit allerlei Funktionen, die nicht unbedingt selbstverständlich sind: Warnblinker, Tempomat, Kill-Switch, Beleuchtungsautomatik. Die Anordnung der Tasten, Wippen und Knöpfe sind logisch und leicht zu lernen. Allerdings sind sie relativ dicht beieinander. Wenn man nun Winterhandschuhe trägt geht die Haptik gegen null. Man hat kein Gefühl welchen Knopf man gerade bedient, zumal die Bedienelemente keinen spürbaren Druckpunkt haben. Insgesamt finde ich diesen Bereich nicht besonders wertig ausgeführt, die Bedienelemente wirken wacklig und billig. Kill Switch und Fahrmoduswippe sind zu eng beieinander. Mir ist es im Tunnel passiert, dass ich anstatt den Fahrmodus zu wechseln, den Roller mit dem Killswitch ausgeschaltet habe, was ziemlich gefährlich war. Die Blinkerrückstellung funktioniert super. Der voreingestellte Blinkerton ist viel zu laut und nervt, lässt sich aber ändern. Allerdings hat er sich jetzt schon mehrmals ohne mein Zutun auf den voreingestellten Ton zurückgestellt. Übrigens hat sich auch die Zeitzone mehrfach in der App von alleine wieder auf „Beijing“ zurückgestellt, was zur Folge hat, dass die Zeit im Rollerdisplay falsch angezeigt wird.
Insgesamt muss man sagen, dass der Roller sehr „kommunikativ“ ist. Ständig piepst und pfeift und blinkt es irgendwo. Mir persönlich geht das auf die Nerven und ich würde mir wünschen, dass man die Lautstärke der Soundeffekte in der App einstellen kann, da sie insgesamt viel zu laut und penetrant sind.
Der Warnton der Alarmanlage hingegen ist viel zu leise und wird von Passanten ganz sicher nicht als Alarmanlagenton erkannt.
Tempomat
Der Tempomat ist natürlich ein tolles feature. Das Problem ist aber, dass er sich nicht einschalten lässt, wenn man den Roller von einer höheren Geschwindigkeit in eine geringere Geschwindigkeit im Eco Mode ausrollen lässt und dann bei Erreichen der Wunschgeschwindigkeit den Tempomatknopf drückt. Man muss dann wieder Gas geben und dann den Tempomatknopf drücken, damit die Geschwindigkeit gespeichert wird. Wünschens wert wäre eine Resume Funktion, damit man nach Bremsvorgängen automatisch auf die alte Geschwindigkeit zurückbeschleunigen kann. Gerade in der Stadt wäre das sehr praktisch Das ist aber meckern auf hohem Niveau.
Display
Das Display hat eine gute Auflösung und ist auch bei Sonne gut ablesbar. Alle wichtigen Informationen sind gut und logisch dargestellt und schnell zu finden. Von den 3 Oberflächen finde ich die voreingestellte „Passion“ am besten.
Spiegel
Als Motorradfahrer muss ich sagen, dass die Rückspiegel eine echte Verkehrsgefährdung darstellen und indiskutabel sind. Hier werde ich mir definitiv Ersatz kaufen. Ich meine dabei nicht die Größe der Spiegelfläche, sondern die Position. Es wundert mich, dass der Evo mit diesen Spiegeln eine Zulassung beim KBA bekommen hat. Beide Spiegel sind viel zu weit innen. Ich habe beileibe keinen Bodybuilding Oberkörper. Wenn aber die Hälfte der Spiegelfläche vom Oberarm verdeckt wird, und dieser Umstand durch ein anderes Einstellen der Winkel keine Verbesserung bringt, kann etwas nicht stimmen. Ein Roller, mit dem man auf Stadtautobahnen bei Tempo 80 im Kolonnenverkehr fahren darf, muss Spiegel haben, bei denen der tote Winkel so klein wie möglich ist, damit die Fehlerquote bei Spurwechseln so minimal wie möglich bleibt. Abgesehen davon, dass ein Schulterblick das eigene Leben retten kann hat man immer ein Gefühl der Unsicherheit, ob da nicht doch gerade jemand im toten Winkel fährt.
KeylessGo
Das Keyless Go funktioniert gut. Allerdings ist der Handsender mit integriertem physischem Schlüssel schon ziemlich groß. Ich persönlich habe gerne alle meine Schlüssel an einem Schlüsselbund. Zusammen mit dem Autoschlüssel bläht der KeylessGo Sender meinen Schlüsselbund derart auf, dass es schon unangenehm ist, ihn in die Hosentasche zu stecken. Genialerweise kann man ja über die App auch das Handy als Sender programmieren, so dass man überhaupt keinen Schlüssel mitnehmen muss.
So, das waren jetzt mal meine Eindrücke der ersten 3 Tage.
Wie gesagt, alles subjektiv.
Allseits Gute Fahrt und Gruß an alle.
Daniel