Elektroroller-Forum.de

Hallo miteinander,

ich zähle mich nun auch zu den Besitzern eines "Classico Li" von Futura alias "LMJR" von Jiangsu Xinri. Nachdem ich hier schon einiges über den Roller gelesen habe und das für mich sehr hilfreich war, wollte ich nun potentiellen Käufern meine eigenen Erfahrungen schildern.

Etwas zögerlich bei der Kaufentscheidung hat mich übrigens gemacht, dass es tatsächlich immer wieder sehr begeisterte Erfahrungsberichte gibt, bei denen eine - wie soll ich das ausdrücken - eine gewisse Parteilichkeit vermutet werden könnte. Ich kann versichern, dass ich nicht bei Futura arbeite und dass ich kein Geld von denen bekomme. Und ich schildere auch meine negativen Erfahrungen. Aber ihr seid alle schon groß und könnt euch euer Bild selbst machen.

Danke übrigens auch noch an Hrodgar, dessen toller Erfahrungsbericht mit dazu geführt hat, dass ich den Roller gekauft habe!

Vielleicht noch zu meiner bisherigen Roller-Erfahrung: Ich habe vor ca. 15 Jahren mal eine Zeit lang einen Piaggio Sfera 50 gefahren. Einen E-Roller bin ich vorher noch nicht gefahren. Auch eine Probefahrt konnte ich in meiner Ecke der Welt nicht machen.

Den Roller wollte ich haben, obwohl ich absolut keinen brauche . Ich wollte gerne mal das "Elektro-Feeling" haben und vor allem die typischen Kurzfahrten (Bäcker, Eisdiele, ...) mit gutem Umweltgewissen zurücklegen.

Sicherheitshalber teile ich meine Eindrücke mal in mehrere Abschnitte auf...

Firma Futura & Service

Ich habe den Roller an einem Sonntag bestellt. Lieferzeit ist angegeben mit 3-5 Tagen. Die Bestell- und Zahlungsbestätigung kam sofort per Email. Ganz klar war das eine automatische Antwort. Innerhalb der nächsten drei Tage (also bis Mittwoch) habe ich dann nichts mehr gehört. Da ich mit der Lieferung bis zum Wochenende gerechnet hatte, hab ich angerufen. Erst beim zweiten Mal habe ich einen sehr freundlichen Mann am Telefon gehabt, der mir den Versand für Donnerstag in Aussicht stellte. Der Roller kam dann am darauf folgenden Dienstag per Spedition (also nach 10 Tagen).

Eine Frage zum Nummernschildhalter per Email wurde mit innerhalb von drei Tagen beantwortet. Geht so. Dann wollte ich nochmal eine Frage per Telefon stellen. Das habe ich nach drei Versuchen aufgegeben, weil niemand ran ging.

Der Roller kommt gut verpackt an. Er steht auf einer Holzpalette, außenrum ist ein Stahl-Käfig und darum herum ein Karton. Es dauert ein bisschen, bis man ihn da raus hat. Neben einem Schraubenschlüssel braucht man noch eine Zange, um diverse "Spanndrähte" zu entfernen. Einige Schutzfolien müssen noch abgezogen werden. Übrig bleibt ein Haufen Sperrmüll, den man selber entsorgen muss.

Das Gefährt ist somit recht gut geschützt. Trotzdem hatte ich am Rand des Beinschilds (?) eine kleine Macke. Ist nicht schlimm und wird sicher nicht alleine bleiben , daher eher nicht der Rede wert.

Im Prinzip ist alles fertig aufgebaut. Man muss nur noch die Spiegel und das Topcase montieren.

Mein Fazit dazu: Akzeptabel. Top-Service sieht aber anders aus. Gerade die schlechte telefonische Erreichbarkeit finde ich ärgerlich. Andererseits muss man halt auch sehen, dass das gleiche Gefährt von EMCO, Kito und Trinity deutlich mehr kostet - je nach Ausstattung auch über 1000 Euro. Da kann ich mit ein bisschen "DIY" gut leben.

Inbetriebnahme / Erste Eindrücke / Abweichende Ausstattung

Wie bereits mehrfach anderswo beschrieben (u.A. in der Anleitung...), müssen die Reifen unbedingt aufgepumpt werden, auch wenn sie nicht platt wirken. Meine waren auf ca. 0,5 bar, sahen aber völlig OK aus! Die Spiegel sind leicht zu montieren, aber für mein Gefühl zu klein und nicht weit genug außen. Die Sicht nach hinten ist daher eher mäßig.

Das Topcase wirkt sehr billig, ist es wahrscheinlich auch. Für den Helm oder kleine Einkäufe taugt es aber sicherlich. Es wird mit 4 Schrauben, Scheiben und selbst sichernden Muttern geliefert. Die Anleitung zur Montage passt aber nicht. Die gehört vermutlich zum Hawk. Ich habe keinen Schimmer, wie man das Case montieren soll, eine Grundplatte oder so gibt es nicht. Eine Anfrage dazu habe ich an den Service geschickt. Bisher ist das noch offen.

Aussehen tut der Roller meiner Meinung nach sehr gut. Ich habe ihn in schwarz bestellt. Die Sitzbank ist dann weiß. Ich hätte lieber eine braune Bank gehabt, aber OK. Bin gespannt, ob der Kunststoff weiß bleibt, oder langsam Jeans-Farbe annimmt...

Im Vergleich zu den Fotos bei Futura hat mein Roller zwei Abweichungen in der Ausstattung. Auf der Plus-Seite ist die Bremsanlage. Das Foto bei Futura zeigt Seilzug/Hydraulik-Bremse und das passt zu Scheibe vorne und Trommel hinten. Mein Roller hat dagegen zweimal Scheibe. Sehr schön! Das haben nach meiner bisherigen Recherche eigentlich nur die richtig teuren Roller.

Auf der Minus-Seite ist (meiner Meinung nach) das Cockpit, aber das ist Geschmackssache. Statt dem Tacho mit Zeiger ist da ein LCD. Die Geschwindigkeit wird digital, also als Zahl angezeigt. Das Voltmeter als Balken. Dann sind da noch irgendwelche animierten Dreiecke und ich habe keine Ahnung, wozu die gut sein sollen. Zu dem Retro-Look passt das alles aber nicht so recht.

Der Lenker von derFutura Website: Mein Lenker: Der Kilometer-Zähler wird, wie anderswo beim Hawk beschrieben, kurz beim Starten gezeigt. Dann kurz ein anderer Wert (Akku-Spannung?) und dann der Tageszähler.

Was ich nicht finden konnte (Anfrage offen) sind irgendwelche "Fahrzeugpapiere". Ein COC lag bei, außerdem ein Handbuch in Englisch. Die Fahrgestellnummer (FIN) musste ich aber für die Versicherung vom Rahmen ablesen. Hmmm...

Wie man das Nummernschild montieren soll, ist mir auch nicht ganz klar. Vermutlich könnte man einfach zwei Blechschrauben in den Halter drehen. Ich habe mir einen Universal-Plastikhalter bei Ebay gekauft und mit Kabelbindern an dem bestehenden Halter festgemacht.

Fahrgefühl

Hier wird es jetzt natürlich sehr subjektiv. Wer vorher ein 100 PS Motorrad gefahren ist, wird das anders sehen als jemand, der sonst Fahrrad fährt.

Das Fahren mit dem Elektro-Roller macht mir unglaublichen Spaß! Die Motorleistung des Classico ist gut ausreichend, auch für Fahrten zu zweit (bei uns ca. 145 kg). Mit einem 50 ccm Motorroller kann er leicht mithalten. Auch sehr steile Berge schafft er, dann allerdings zu zweit nur noch mit 30 km/h.

Das lauteste Geräusch ist der Wind am Helm. Bei Kopfsteinpflaster klappert es ein wenig. Aber das ist absolut im grünen Bereich. Bei einem Motorroller wäre das auch nicht anders, nur wird das dort normalerweise vom Motor übertönt.

Etwas problematisch ist das Anfahrverhalten. Es ist für mich sehr schwierig, "weich" loszufahren. Da fehlt irgendwie die Rückmeldung vom Gasgriff. Denn da ist ja kein Seilzug dran oder so. Das Drehmoment setzt also recht unerwartet ein. Vielleicht kriegt man da noch das richtige Gefühl dafür.

Beim Anfahren an der Ampel kann man mit den Autos leicht mithalten. So ab 35 - 40 km/h ziehen sie aber dann davon. Über die unselige Tatsache, dass man dann dauernd mit 5 km/h Geschwindigkeitsdifferenz überholt wird, muss ich nichts mehr sagen...

Handhabung / Bedienung

Zum Aufladen muss man die Sitzbank hoch klappen, Hauptschalter aus machen, den Akku abstecken und das Ladegerät anstecken. Im Prinzip ist das kein Akt, allerdings geht der Stecker sehr schwer. Das ist kein Wunder, denn da gehen bei 3 kW und 72 V immerhin über 40 A drüber. Guter Kontakt ist also wichtig. Eine Art Griff am Stecker wäre aber hilfreich gewesen. Der Stecker hat zwei Befestigungs-Löcher. Vielleicht lässt sich da was montieren... Noch besser wäre es, wenn es eine komplett separate Ladebuchse am Roller gäbe.

Tatsächlich gibt es da "irgendwas". Im Seitenfach (rechter hinterer Kotflügel) ist eine Buchse mit Deckel. Weiß jemand, wozu die gut ist? Ich habe den Verdacht, dass sie ohne Funktion ist und nur mit Bleiakku gebraucht wird. Der Stecker an meinem Ladegerät passt jedenfalls nicht. Ob man da was "zaubern" könnte?...

Apropos Ladegerät: Das Ladegerät hat einen Lüfter, ist aber nicht unangenehm laut. Im Schlafzimmer möchte ich es allerdings nicht laufen haben. Es liefert einen Ladestrom von 3,5 A. Somit ergibt sich bei einer Akku-Kapazität von 20 Ah / 3,5 A = 5,7 h, also knapp 6 Stunden bei einem vollständig leeren Akku. Die angegebenen 2 - 4 Stunden stimmen also keinesfalls. Ich bin gar nicht so böse drum, weil ständiges Hochstromladen den Akku bestimmt schneller altern lassen würde. In der Regel werde ich über Nacht laden, also ist die Ladezeit fast egal.

Was mich etwas verblüfft ist, dass man laut Anleitung das Ladegerät maximal 16 h angeschlossen lassen darf. Ansonsten droht Feuer, Explosion und insgesamt der Weltuntergang . Ich verstehe das nicht, denn das Ladegerät erkennt, wenn der Akku voll ist (grüne LED) und ich gehe schwer davon aus, dass dann der Ladevorgang beendet wird. Zum Überladen wird es also nicht kommen.

Ansonsten ist der Classico gut handhabbar, nicht zu schwer und fährt sich gut. Ganz leer gefahren habe ich den Akku noch nicht. Aber eine deutliche Geschwindigkeitsverringerung konnte ich nach ca. 30 km nicht feststellen. Vielleicht waren es 3-4 km/h. Um das ganz genau festzustellen, müsste man wahrscheinlich eine hauseigene Teststrecke haben...

Verbesserungspotential

Am Roller gibt es eine grüne "Ready"-Lampe. Die geht an, wenn der Roller im Stand ist und die "Zündung" (hmpf, hoffentlich Zündet die nix ) an ist. Also prinzipiell, wenn der Roller losrollern kann. Allerdings gibt es auch noch eine Art Starterknopf. Dieser Knopf ist irgendwie sinnlos. Er muss gedrückt sein, sonst ist der Motor aus. Im Prinzip ist das ja nicht schlecht, weil der Roller sonst direkt nach dem Umdrehen des Schlüssels losfahren könnte. Beim Rangieren z.B. kann es schon mal passieren, dass man versehentlich am Gasgriff dreht. Aber man muss den Knopf beim Abstellen des Rollers wieder ausschalten. Das vergisst man leicht. Besser wäre hier ein Taster gewesen, der über die Software des Motor-Controllers den Antrieb frei gibt. Die Freigabe könnte sich dann mit Zündung aus automatisch zurück setzen.

Der Starter-Schalter hat übrigens keinen Einfluss auf die "Ready"-Lampe. Die leuchtet auch, wenn der Schalter aus ist. Das ist schade, denn damit könnte man verlässlich sehen, ob der Roller losgehen kann.

Fazit

Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Das Fahren macht Spaß, die Leistung des Rollers entspricht meinen Erwartungen. Auch 2018 gibt es immer noch viele Menschen, die irritiert schauen, wenn man geräuschlos an ihnen vorbei fährt . Und in der ersten Woche habe ich schon fast zwei Fußgänger überfahren, die sich auf ihre Ohren statt ihre Augen verlassen haben . Meiner Meinung nach passt das Preis/Leistungsverhältnis und mein Umwelt-Gewissen ist zumindest etwas reiner. Ich würde mir den Roller sofort wieder kaufen .

Nachtrag

Dank des schönen Wetters habe ich heute eine längere Spritztour gemacht. Ich bin rund 40 km gefahren. Der Akku hat gereicht. Am Ende war er vielleicht etwas müde, aber das kann auch eine Fehleinschätzung sein. Ich denke, man gewöhnt sich über eine längere Fahrt an die Geschwindigkeit und kommt sich dann langsamer vor. Am Voltmeter waren unter Last nur noch zwei von fünf Balken zu sehen.

Den Akku habe ich danach in ca. 5 Stunden aufgeladen. Dazu habe ich ein Leistungsmessgerät an die Steckdose angeschlossen. Der Stromverbrauch lag somit für die 40 km bei 1340 Wh. Das Ladegerät hat vermutlich einen Wirkungsgrad von ca. 80%. Beim Akku wären dann ca. 1100 Wh angekommen. Der Akku hat insgesamt eine Energie-Kapazität von 1440 Wh (72V x 20 Ah). Es wären dann auf jeden Fall noch 10 km Reserve übrig gewesen. Die gebrauchte Energiemenge entspricht bei 1,34 kWh und einem kWh-Preis von 0,30 € ungefähr 0,40 €. Dann lässt sich leicht errechnen, dass 100 km genau 1 € kosten. Zum Vergleich: Bei einem normalen 50 ccm Roller kann man mit ca. 4 l Benzin / 100 km rechnen, das sind etwa 6 €.

Übrigens hat das Ladegerät am Ende des Ladevorgangs eine Leistungsaufnahme von 2 W. Es schaltet also den Ladestrom ab und es kommt somit nicht zum Überladen des Akkus. Während des Ladens hat es der Steckdose einen Strom von rund 1,3 A entnommen, die aufgenommene elektrische Leistung war also in etwa 300 W.

Vielen Dank für die vielen detailierten Beschreibungen und Berichte, auch wenn die Langzeiterfahrung natürlich noch fehlt!

TomFy hat geschrieben: ↑

So 1. Jul 2018, 23:16

Was ich nicht finden konnte (Anfrage offen) sind irgendwelche "Fahrzeugpapiere". Ein COC lag bei, außerdem ein Handbuch in Englisch. Die Fahrgestellnummer (FIN) musste ich aber für die Versicherung vom Rahmen ablesen. Hmmm...

Die COC IST das einzige Fahrzeugpapier, aber sie muss natürlich die Rahmennummer (und Motornummer) enthalten, sonst ist sie eigentlich nicht für Deinen Classico gültig

Oh Mann, du hast Recht und ich Tomaten auf den Augen . Ich hatte das für eine "Massendrucksache" gehalten. Das COC ist auf Hochglanzpapier gedruckt und da habe ich zwischen all den Abmessungen, Drücken, Gewichten und Leistungen die FIN übersehen.

Danke für den Hinweis!

Ansonsten ja, langfristige Erfahrungen habe ich natürlich nicht. Aber sicherlich sind auch meine ersten Eindrücke mal interessant. Wie das mal wird, wenn ich in 5 Jahren Ersatzteile brauche, dafür bräuchte man eine Kristallkugel. Viele einfache Teile sind im Prinzip sicher Standard-Teile (wie Reifen, Bremsbeläge, ...). Für andere Teile wie Karosserie-Teile etc., das geht halt nur mit Original-Teilen.

Hi TomFy, vielen dank für deinen ausführllichen Bericht. Wir freuen uns auch immer wenn jemand nach ein paar Monaten zu so etwas nochmals ein Update verfasst, denn manches positive wie negative fällt erst nach einer gewissen Zeit auf. Ein paar negative Aspekte sind dir ja auch schon aufgefallen wie

Statt dem Tacho mit Zeiger ist da ein LCD. Die Geschwindigkeit wird digital, also als Zahl angezeigt. Das Voltmeter als Balken. Dann sind da noch irgendwelche animierten Dreiecke und ich habe keine Ahnung, wozu die gut sein sollen

, das liegt vermutlich dran das eben irgendwas was gerade verfügbar ist auch China importiert wird, daher die Abweichungen. Was den Akkustand angeht so hat der Futura leider nur eine Spannungsanzeige und keinen echten Coulombzähler wie Niu oder Unu und ist damit deutlich weniger genau.

Ja, mal sehen. Im Winter werde ich den Roller voraussichtlich "einmotten", dann wäre eigentlich Zeit für ein Update.

Mit der Ausstattung, da hast du sicher recht. Ich könnte mir vorstellen, dass der Hersteller da (ähnlich wie im PKW-Bereich) so eine Art Sondermodell anbietet (hier z.B.: mit LiIonen-Akku, 2 x Scheibenbremsen, 2 x Gepäckträger, Topcase und eben (vielleicht) dem Digital-Display.

Das ist ja auch OK und über Geschmack lässt sich sowieso streiten. Aber eigentlich muss der Importeur die Ware genau beschreiben, die er da im Lager stehen hat. So weiß dann jeder vorher, worauf er sich einlässt, wenn er bestellt.

Patrick hat geschrieben: ↑

Mo 2. Jul 2018, 23:17

[...]

Statt dem Tacho mit Zeiger ist da ein LCD. Die Geschwindigkeit wird digital, also als Zahl angezeigt. Das Voltmeter als Balken. Dann sind da noch irgendwelche animierten Dreiecke und ich habe keine Ahnung, wozu die gut sein sollen

, das liegt vermutlich dran das eben irgendwas was gerade verfügbar ist auch China importiert wird, daher die Abweichungen. [...]

Ist natürlich nur Spekulation, aber ich gehe eher davon aus, dass der Tachowechsel zur Erfüllung der aktuellen gesetzlichen Vorgaben (optische Anzeige der Fahrbereitschaft) notwendig wurde...