Hallo Norbert,
darauf antworte ich doch noch mal, aber nicht, um zu streiten, sondern um zu versuchen, das auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ich verstehe Deine Position sehr wohl. Aber mir scheint, Du hast nicht ganz verstanden, was ich meine. Es ist ja auch zu befürchten, dass nicht nur BMW diese Sichtweise hat, sondern dass auch das KBA oder andere Stellen schon involviert sind bzw. das schon homologiert ist.
Du sagst, die Regel Nr. 85 dient dem Verbraucherschutz, ich sage es etwas allgemeiner, sie definiert einfach, wie man die Spitzen- und Nenndauerleistung zu ermitteln hat. Diese darf logischerweise nicht zu niedrig und nicht zu hoch angegeben werden, sondern man muß sich eben an diese Regelung halten. V.a. ist nirgends definiert, wie Leistungsbegrenzungen auszusehen haben.
Wie die Leistungsbegrenzung umgesetzt wird, liegt also weitestgehend im Ermessen des Herstellers. Mancher mag hier sehr großzügig vorgehen (z.B. Zero), ein anderer sehr vorsichtig (z.B. BMW). Und es ist zu befürchten, dass die Regeln für die Einhaltung von A1 angezogen werden könnten. Evtl. ist auch das ein Grund für BMW, hier die vorsichtigere Linie einzuschlagen. Überhaupt liegt bei der Einhaltung der Regelung Nr. 85 vieles im Ermessen des Herstellers. Da steht unglaublich oft "nach Angaben des Herstellers". Z.B. an ganz wichtiger Stelle in 5.3.2.2.:
Das elektrische Antriebssystem muss auf dem Prüfstand mit einer Leistung betrieben werden, die nach den
Angaben des Herstellers am ehesten der höchsten 30-Minuten-Leistung gleichkommt.
D.h. in erster Instanz bestimmt also der Hersteller, unter welchen Rahmenbedingugnen die 30-Minuten-Leistung ermittelt werden soll. Ihm darf nur nicht später nachgewiesen werden können, dass es ein anderes Betriebsfenster gibt, wo die Leistung deutlich höher ist (wenn es um Einhaltung von A1 geht).
Norbert hat geschrieben: Mi 6. Okt 2021, 23:41
Es ist überhaupt kein Problem, es ist lächerlich einfach, es ist gratis, die Dauerleistung auf 11kW zu reduzieren und z.B. 23kW nur für eine sehr kurze Zeit zuzulassen.
Die Frage ist: was ist eine "sehr kurze Zeit"? Du stimmst schon zu, dass in 5.3.1.3 steht, dass mind. 3 min lang eine deutlich höhere Leistung vorliegen darf? Wenn es jetzt um Drosselung geht, ist das Problem ja, dass der Antriebsstrang eigentlich dauerhaft eine zu hohe Leistung abgeben kann (15 kW bei der CE04). Ich hoffe, es wurde klar, was ich mit der "dynamischen Drosselung" meinte? Meiner Wahrnehmung nach fährt sich nämlich genau so eine 11 kW Zero. Auf der Landstrasse im ebenen hat man eigentlich immer eine 44kW-Maschine unter dem Hintern, so lange man sich halbwegs an die Tempolimits hält. Diese Dynamik muß doch irgendwie programmiert werden, wenn die Begrenzung nicht durch eine externe Größe (wie z.B. die Temperatur des Motors) kommt. Dass auch eine Temperaturbegrenzung letztlich auch über die Software umgesetzt wird, ist mir natürlich völlig klar!
Norbert hat geschrieben: Mi 6. Okt 2021, 23:41
patba hat geschrieben: Mi 6. Okt 2021, 21:40
D.h. es müsste ein rein Software-basiertes Konzept her.
Da muss ich mich wieder zusammenreissen. Was glaubst Du denn, wie das alles funktioniert? Mit Relais, Röhren oder schon mit Transistoren? Das ist eine rasender Computer mit Akku, Endstufe und Motor. Da ist alles per Software geregelt, alles! Die haben da nicht ein Tablet an ein Siemens-E-Mobil von 1905 geflanscht.
Keine Angst, so dumm bin ich nicht. Ein Absatz höher habe ich nochmal erklärt, was ich mit "rein Software-basiert" meine.
Zero: Motortemperatur -> externe Größe -> softwaremäßige Umsetzung
BMW: Motortemp. wird nie überschritten -> keine externe Größe begrenzt -> nur die Software muß ran ("rein Software-basiert")
Norbert hat geschrieben: Mi 6. Okt 2021, 23:41
Daß der Roller nicht mehr als 30 Minuten mit 11kW schaffen darf (so interpretieren Du und BMW das wohl) ist auf sehr vielen Ebenen absurd.
Das habe ich nie behauptet. Natürlich darf der Motor "ewig" die 11 kW liefern. Das Problem ist eher, wie ist vorzugehen, wenn der Motor von den 30 min die ersten 5 min (z.B.) 23 kW liefert? Ist das erlaubt, und wie viel ist erlaubt? Genau diese Grenzen sind nirgends offiziell vorgegeben. Im Fall der BMW vermute ich übrigens stark dass diese (so lange der Akku hält) dauerhaft die 15 kW abgeben kann...
Norbert hat geschrieben: Mi 6. Okt 2021, 23:41
Hoppla, genauer gelesen bedeutet das:
Wenn der Akku es nicht schafft, macht das nix. Die Karre muss 11kW schaffen, 30 Minuten lang. Schafft der Akku das nicht, reicht es, wenn das Antriebssystem, also Controller und Motor das schaffen, (ohne zu überhitzen). Das Fahrzeug muss das nicht mit dem eigenen Akku schaffen!
Genau! Die Vorgabe sagt ja sogar, dass der Antriebsstrang für die Prüfung nicht am "eigenen" Akku betrieben werden muß, denn der Spannungabfall über die gesamte Zeit darf nicht höher als 5% sein, und es muss 30 min lang gemessen werden.
Norbert hat geschrieben: Mi 6. Okt 2021, 23:41
Könnte der Antrieb 22kW für 15 Minuten mit diesem Akku und würde 22kW mit externer Versorgung auch 30 Minuten durchhalten, dann dürfte man das auch 22kW nennen.
Richtig!
Die BMW schafft genaugenommen (sehr wahrscheinlich auch die A1-Version) 15 kW dauerhaft, aber weil der Akku begrenzend wirkt, muß BMW nur die 11 kW angeben.
Ein weiterer Punkt ist, dass in den ganzen Vorschriften eben gerade nicht definiert ist, wie im Drosselungsfall genau vorzugehen ist. Es gibt auch nur in wenigen Fällen konkreten Bedarf, genau vorzuschreiben, wie vorzugehen ist, wenn es darum geht, dass eine bestimmte Leistung nicht überschritten werden darf. Das ist nun bei uns hier für A1 oder A2 der Fall. Die gleiche Baustelle gibt es bei den E-Bikes, wo es die Grenze mit den 250W gibt. In den E-Bike-Foren findet man dementsprechend auch viele ähnlich laufende Diskussionen wie diese hier.
Schauen wir uns in diesem Zusammenhang noch mal 5.3.2.3 an:
Leistung und Drehzahl sind aufzuzeichnen. Die Leistung muss in einem Bereich von ± 5 % des Leistungswerts
zu Prüfbeginn liegen. Die höchste 30-Minuten-Leistung ist der Mittelwert der Leistung innerhalb des Zeitraums
von 30 Minuten.
D.h., dass für den Nachweis einer Drosselung auf 11 kW zumindest nach mener Lesart folgendes zulässig wäre:
- stufenweises Anheben der Leistung in 1 kW-Schritten, jeweils die 30 min Messung (logischerweise mit entspr. Vor-Äquilibrierung)
- Leistung <= 11 kW: Leistung bleibt konstant innerhalb der 5%. Test bestanden
- Leistung bei (z.B.) 12 kW: Lauf beginnt mit 12 kW, fällt dann aber auf 11 kW ab. D.h. Abfall um 8%. Test nicht bestanden
- Leistung bei noch höherer Leistung, entsprechend gleiches Verhalten
=> 11 kW sind die anzugebende Nenndauerleistung
(Ich hoffe, das findet Deine Zustimmung?)
Was nun aber, wenn ein pfiffiger Ing. auf folgende Idee kommt: Sein Motor kann 15 kW dauerhaft, er muß ihn auf 11 kW drosseln. Per Software regelt er so, dass der Motor 29 min die 15 kW abgibt, dann aber kurz vor Ende der Messzeit auf 11 kW einbricht. Nach meinem Verständnis wäre der Test dann nicht bestanden, und der Hersteller müsste nur die 11 kW angeben. Das wäre aber sehr dünnes Eis, auf das ich mich als Hersteller nicht begeben würde.
Evtl. ein Punkt bei Deiner Sichtweise, Norbert: Es geht hier nicht darum, die Steuerung so zu programmieren, dass der Antrieb nicht kaputtgeht. Es geht darum, dass wir einen zu leistungsfähigen Antrieb drosseln müssen, dem Kunden aber unter Ausreizung der gesetzl. Möglichkeiten ein möglichst leistungsfähiges Gefährt bieten wollen, das möglichst oft auch deutlich über der Nenndauerleistung abliefern kann. Gleichzeitig soll das Fahrzeug möglichst auch in 5 Jahren noch den dann evtl. gültigen Regeln entsprechen.
Und nochmal: ich finde die Lösung von BMW auch Mist. Mir wäre eine solche komplexere Lösung mit dynamischer Leistungsregelung lieber.
Patrick