Hallo liebe Foristen,
ein paar Themen rund um Zuverlässigkeit und Wetterbeständigkeit des aktuellen sowie des neuen Scooters haben sich hier gesammelt. Darauf antworte ich gerne und werde mich dafür vornehmlich an dem Post von michael1 orientieren.
Die lange Liste an Erfahrungen mit dem aktuellen Roller ist natürlich unschön und das ganz unabhängig davon, wie sich andere Roller in der Hinsicht verhalten. Meinen unu fahre ich seit Sommer 2015 und bisher ca. 14.500km und habe daran einmal die linke Schalterleiste ausgetauscht, weil der Blinkerschieber sich auch mit WD40 nicht bewegen ließ und den Tacho, da die Ladestandsanzeige an einem Tag den Geist aufgegeben hatte.
Meine ehrliche Einschätzung, die ich auch meinen Freunden mitgeteilt haben, wenn sie einen unu kaufen wollten, ist, dass der Scooter jahrelang eine Menge Spaß macht, nebenbei günstig im Markt positioniert ist, man im Gegenzug gelegentlich ein (Klein-)Teil tauschen muss und dabei im Zweifelsfall eher kulant von unserem Serviceteam behandelt wird.
Soweit die bisherige Erfahrung, die wir aber auch nicht als ideal ansehen, oder mit der Erwartung an den neuen Scooter gleichsetzen. Als der unu Classic 2014 auf den Markt kam, bestand der Ansatz darin, gemeinsam mit einem erfahrenen Zweirad-Hersteller aus China einen bestehenden Roller so anzupassen, dass er den hiesigen Anforderungen an Ladeinfrastruktur und Akku-Langlebigkeit entspricht. Die ersten Jahre am Markt haben dann gezeigt, dass trotz der Erfahrung des Partners eine Menge Potential sowohl bei der Fertigungsqualität, also auch einigen Produkteigenschaften wie der angesprochenen inkonstanten Höchstgeschwindigkeit über den Ladestandsverlauf bestand. Mehrere Themen haben wir dann in einem Projekt gebündelt, an dessen Ende das Facelift mit dem Bosch-Antriebgsstrang und mehreren Detailveränderungen stand. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten bei unu allerdings auch erst vier Ingenieure, von denen nicht alle hauptsächlich mit Produktentwicklung beschäftigt waren.
Am neuen unu Scooter arbeitet ein viel größeres Team, das zudem um mehrere starke externe Partner erweitert ist, um fachspezifische Aufgaben zu lösen. Der im Post von michael1 erwähnte Ansatz, dass wir "nicht von der Stange" einkaufen würden, entspringt dabei wohl einem missverständlichen Ausdruck meinerseits. Wir entwerfen viele Komponenten für den neuen Scooter selbst, da wir Eigenschaften planen, die so noch nirgends verfügbar sind. Das gilt also für einen eigenen Rahmen und Verkleidungen, um z.B. den großen Stauraum unter dem Sitz anzubieten. Das gilt ebenfalls für die Elektronik, die für die Steuerung aller Lichter und Signale am Roller sowie für die Vernetzung* nötig ist und einfach über die Pakete hinausgeht, die Zulieferer uns anbieten konnten. Gerade bei solch komplexen Komponenten wollen wir alles nötige Know-How bei uns im Haus haben. Gleichzeitig nutzen wir aber den Kostenvorteil, den die Verfügbarkeit anderer Komponenten wie Felgen oder Bremsanlagen bringt und bei denen eine Eigententwicklung keinen merklichen Vorteil gebracht hätte. Bei allen Teilen nutzen wir auch die Erfahrung, die wir mit dem unu Classic gesammelt haben, um umfangreiche Tests (Salzwasser, UV, Vibration, Straßenfahrt, ...) zur Zuverlässigkeit durchzuführen, was einen großen Teil der Aufgaben ausmacht, die in den kommenden Monaten vor uns stehen. Auch hierbei hilft uns unser Fertigungspartner Flex, der über all das nötige Equipment für diese Tests verfügt. Pflege des Rollers, gerade in den Wintermonaten, wird natürlich wie bei allen Fahrzeugen weiter zur Langlebigkeit beitragen.
Zuletzt noch zu den drei als nicht optimal angesehenen Produkteigenschaften:
- Reifen reine Sommerreifen: Der K80SR von Heidenau ist ein sehr neuer Reifen, der vom Profil her besser zum Sommer und dem geräuschfreien Fahren passt, aufgrund seiner Gummimischung aber in unabhängigen Tests (z.B. hier) auch gute Eigenschaften auf feuchter Fahrbahn aufwies. Für alle Fahrer, die jedoch einen anderen Reifen bevorzugen, ist es sicher erfreulich, dass wir am neuen unu Scooter extra dafür gesorgt haben, dass die Reifen sehr viel einfacher zu wechseln sind, als das bei anderen Elektrorollern mit Radnabenmotor möglich ist.
- kein Hauptständer, sondern nur der kleine Seitenständer: Hier war ich anfänglich auch skeptisch, habe zu meiner eigenen Überraschung aber an den Prototypen festgestellt, dass der Stand durch den gewählten Kippwinkel und den niedrigen Schwerpunkt sehr sicher ist. Für Arbeiten am Hinterrad lässt sich ein kleiner Motorradheber oder jede Art on "Block" im hinteren Bereich des Rahmens direkt vor der Schwinge platzieren.
- Mglw. Toleranzen bei Höchstgeschwindigkeit nicht ausgereizt: Ich weiß nicht, woher diese Information stammt. Wir wollen die aktuell gültige Toleranz von 5% der Vmax so gut wie technisch möglich ausreizen, ohne unsere Zulassung zu gefährden. Was zu einiger Verwirrung führen kann, sind die im Tacho angezeigten Geschwindigkeiten, die beispielsweise beim Gogoro bis 53km/h reichen, damit jedoch 6-7km/h höher als bei einer GPS-Messung liegen und damit (womöglich absichtlich) am oberen Rahmen der Tacho-Toleranz kratzen.
Ich hoffe, damit ein etwas mehr Hintergrund zu uns und der aktuellen Produktentwicklung sowie unseren Erwartungen gegeben zu haben. Weitere Fragen kommen bestimmt noch und ich melde mich sicherlich bald wieder.
Beste Grüße,
Thomas
*Zur Vernetzung, da die Frage verständlicherweise häufiger auftritt: Der unu Scooter wird ausgeliefert mit einer Keycard und ohne aktive Internetverbindung. Jedem Fahrer/jeder Fahrerin steht es frei, die Konnektivität zu aktivieren, oder nicht. Falls man einen unverbundenen Roller bevorzugt, profitiert man trotzdem von einer Reihe großartiger Features wie der Menge an Platz auf und unter dem Sitz, dem größeren Akku und der deutlich helleren LED-Beleuchtung.