Mittwoch und Donnerstag diese Woche war die 4. VDI-Konferenz Elektromobilität in Nürtingen, wovon ich themenbedingt diesmal nur den zweiten Tag mitgenommen habe.
Mit von der Partie war Prof. Dr. Pim van der Jagt, Geschäftsfürhrer des Ford Forschungszentrums Aachen, zum Thema "Elektromobilität und die Auswirkungen auf das Fahrwerk und die Fahrdynamik". Nun ist Ford (Europa) inzwischen zu einem Spezialisten für Fahrynamik und Fahrwerksauslegung gereift, so dass Herrn van der Jagts Truppe unter anderem jetzt weltweit für dieses Thema bei Ford zuständig ist.
Neben den schon bekannten und teils auch schon erhältlichen elektrifizierten Ford Transit Connect und Focus war für mich überraschenderweise auch die Rede von einem Fiesta, der mit Radnabenmotoren ausgestattet sei. Da wurde ich aufgrund unsere Diskussionen hier vor einiger Zeit sehr hellhörig, denn wenn selbst die Fahrwerksgurus bei Ford nicht vor Radnabenmotoren zurückschrecken, dann ist das für das klassische Tuning-Credo "runter mit den ungefederten Massen = bessere Fahrdynamik und Sicherheit" fast eine Ohrfeige.
Daher konnte ich mir natürlich in der Fragerunde nach dem Vortrag nicht verkneifen, Herrn van der Jagt nach den Auswirkungen der Radnabenmotoren auf die Fahrwerksauslegung und Fahrdynamik nicht verkneifen, und zustimmendes Grunzen aus dem Plenum war ein weiteres Indiz für o.g. Credo.
Der Herr antwortete darauf, dass schon in der Ausgelung von normalen Serienfahrwerken darauf Rücksicht genommen werden muss, dass die Masse von Rad/Reifenkombinationen mal kurz um 100% schwerer ausfallen können als bei anderen Varianten am selben Fahrzeug. Das Einzige, was bei einem noch etwas schwereren Radnabenantrieb anzupassen sei, das seien die
Dämpferraten. Korrekt angepasst seien die Unterschiede in der Fahrdynamik fast nicht mehr messbar (was sich mit den Untersuchungen von Michelin deckt). Einzige Einschränkung sei, wie wir hier auch schon herausgearbeitet hatten, dass auf Schlechtwegestrecken mit tiefen Schalglöchern größere Nachteile bestehen bezüglich Bodenhaftung und Fahrkomfort.
Auch das Institut für Leichtbautechnik der TU Dresden arbeitet an einem Fahrzeug, bei dem u.A. Radnabenmotoren betrachtet wurden aufgrund ihrer enormen Kompaktheit. Ihre Simulationen hatten ergeben, dass bis ca. 40kg Radgewicht bei deren leichgewichtigem InEco (z.Zt. nur 875kg für einen Viersitzer) das Fahrverhalten noch akzeptabel sei, darüber werde es kritisch. Daher haben die sich auf 35kg festgelegt für den Radnabenantrieb.
Vielleicht könnte man es zusammenfassend so sagen:
Für normale mitteleuropäische Straßen können Radnabenantriebe <40kg ohne gravierende Abstriche an Fahrkofort, -dynamik und -sicherheit eingesetzt werden und ihre enormen Vorteile bezüglich Bauraum und Verlustarmut voll ausspielen.
Allerdings nur bei entsprechender Anpassung von Federung und vor allem Dämpfung.
Für Offroad-Einsatz oder auf schlechten Straßen sollte man dagegen auf fahrzeugfeste Antriebe setzen, natürlich ebenfalls unter Minimierung von Reibungsverlusten.