Silence: SEVCON-Tuning
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Dieser Artikel beschreibt Voraussetzungen, Vorbereitung und Anwendung einer Software zum Ändern der Motorsteuerungsparameter im VOTOL-Motorcontroller. Er richtet sich speziell an Nutzer von Silence-Elektrorollern. Ein Grundmaß an persönlicher Kenntnis im Umgang mit Software ist unabdingbar, ebenso sind Grundkenntnisse in Elektrotechnik und Löterfahrungen von Vorteil.
Inhaltsverzeichnis
- 1 1 Vorbereitungen
- 2 Das Programm und seine Funktionen
- 2.1 Bedienfunktionen unten (für alle Tabs)
- 2.2 PAGE1: Verbindungen, Versorgungsspannung, Gasgriffverhalten
- 2.3 PAGE2: Strom- und Geschwindigkeitsgrenzen, Anfahrverhalten
- 2.4 PAGE3: Polpaarzahl, Hallsensorwinkel, Rekuperation, Rückwärtsgang
- 2.5 DISPLAY: Live-Werte aus dem Controller
- 2.6 Port-Konfiguration
- 2.7 Das Ausklapp-Menü
- 3 Umprogrammierungen
- 4 Weiterführende Links
1 Vorbereitungen
Für die erfolgreiche Programmierung werden benötigt
- ein USB-Stick (Spezialversion für VOTOL-Motorcontroller mit CAN-Interface)
- ein passendes Anschlusskabel für die beiden CAN-Bus-Leitungen an die OBD-Diagnosebuchse unter der Sitzbank (nicht fertig zu kaufen!)
- ein Windows PC (Laptop) (Version 7-11, es ist unklar ob eine virtuelle Maschine funktioniert)
- die Konfigurationssoftware (kostenlos beim Hersteller verfügbar)
Die Kosten belaufen sich auf ~25-50 Euro für den USB-Stick (je nach Händler) und ab 6 Euro für einen OBD-Stecker
Den richtigen Stick finden und kaufen
Leider gibt es keinen Shop in Europa, der diesen Stick direkt verkauft. Die Bezugsquellen ändern sich monatlich. Bei Aliexpress wird man fündig, gelegentlich auch (teurer) bei Amazon. ACHTUNG: VOTOL-Motorcontroller gibt es prinzipiell in zwei Konfigurationsvarianten: seriell und CAN. Die seriell-Versionen sind erheblich preiswerter und beinhalten lediglich einen USB-seriell-Wandler mit Pegeladapter, während die CAN-Bus-Version zusätzlich ein CAN-Bus-Interface und eine vollständige Potentialtrennung beinhalten.
Glücklicherweise gibt es nur eine bekannt funktionierende Version und deutliche äußere Unterschiede zu den "falschen" Sticks:
- Das Gehäuse ist transparent blau mit einem schwarzen Klebebandstreifen
- gegenüber dem USB-Stecker ist eine grüne Lüsterklemme mit 5 Anschlüssen, deren Beschriftung auf der Leiterplatte durch das Gehäuse gesehen werden kann: 1,2,H,L,G
- an den Klemmen H und L sind ein blaues und ein gelbes Kabel angeschlossen, die in einem schwarzen Isolierschlauch zu einem weißen Stecker führen
- In der Bezeichnung für den Stick tauchen Begriffe wie "Votol V2" auf und die gelisteten kompatiblen Controller werden mit EMxxx-2, EMxxx/2
oder EMxxx/SP bezeichnet (xxx steht für diverse Modelle wie 100,150,200,260,350). Das kann abweichen oder auch anders beschriftet sein, wichtiger sind die erkennbaren äußeren Merkmale des Sticks auf Fotos.
Anschluss an die OBD-Buchse
Der USB-Stick wird nicht direkt am Controller angeschlossen, sondern am CAN-Bus des Fahrzeugs. Nur zwei Anschlüsse sind erforderlich:
- "H" (blaues Kabel) des USB-Sticks wird verbunden mit OBD-Pin 6 (CAN-H bzw. CAN-High)
- "L" (gelbes Kabel) des USB-Sticks wird verbunden mit OBD-Pin 14 (CAN-L bzw. CAN-low)
Eine GND-Verbindung schadet nicht, ist aber nicht erforderlich (OBD-Pin 4 oder 5)
Direkte Verdrahtung
Die direkte Verbindung des USB-Sticks mit einem OBD-Stecker realisiert man z.B. so:
- weißen Stecker des mitgelieferten Stick-Kabels entfernen und die Litzen an den passenden Pins eines OBD-Steckers anlöten
- eigene Litzen am OBD-Stecker anlöten und an den Lüsterklemmen des Sticks verschrauben
- wenn man nicht löten kann: Eine OBD-Verlängerung kaufen, die Buchse abschneiden und die passenden losen Enden am Stick anschrauben (heutige käufliche Verlängerungen beinhalten mindestens die standardisiert belegten CAN-Leitungen, besser ist aber gleich eine vollständig belegte 16-polige Version zu kaufen, siehe nächster Absatz)
Bau und Verwendung eines Universaladapters
Silence-Werkstätten benutzen ein USB-to-CAN-Interface von IXXAT. Dieses hat keinen OBD-Stecker, sondern einen früher auch in der Computertechnik gebräuchlichen Stecker für serielle Verbindungen (Maus, Modem), bekannt unter Begriffen für DSUB-9 mit 5 bzw. 4 Steckkontakten in 2 Reihen in einem leicht trapezförmigen Metallrahmen. Abweichend von den bei seriellen Verbindungen üblichen Signalleitungen hat sich für diesen Steckertyp auch eine einheitliche Pinbelegung für CAN-Anwendungen durchgesetzt:
- 2: CAN-L -> OBD-Pin 14(CAN-L)
- 7: CAN-H -> OBD-Pin 6(CAN-H)
- 3: GND (+ optional: 6) -> OBD-Pin 4 oder 5
- 9: Power (optional) -> OBD-Pin 16 (12V, wenn der Roller eingeschaltet ist oder geladen wird)
- 5: Shield (Abschirmung, optional) -> OBD-Pin 4 oder 5
Benötigt werden hier wiederum nur die Pins 2 und 7. Power und GND können aber auch dazu benutzt werden, später andere Geräte (mit geringem Energiebedarf) am Roller über diesen Anschluss mit Strom zu versorgen. Für den CAN-Anschluss auf Fahrzeugseite wird eine DSUB-9-Buchse (female) empfohlen. Ein altes Modem-Kabel könnte als fertige Lötgrundlage dienen. Ein anderes Anschlusskabel (z.B. DSUB-9-Verlängerung) liefert dann das passende Gegenstück. Die DSUB-9-Stecker sind auch sehr preiswert und überall erhältlich (im Gegensatz zu OBD-Steckern).
TIPP: Wenn der Lötkolben schon mal heiß ist, gleich noch eine zweite DSUB-9-Buchse anlöten:
- 2: RX -> OBD-Pin 4 (Tx)
- 3: Tx -> OBD-Pin 11 (Rx)
- 5: GND -> OBD-Pin 5 (SG)
Dies ermöglicht den direkten Anschluss eines USB-seriell-Wandlers (USB- und DSUB-9-Stecker) zur Kommunikation mit dem Telemetriemodul (TCU) [Link]
Übrigens verwenden auch die Silence-Werkstätten ein solches beschriebenes Doppel-Anschlusskabel (Silence part no. U9900-11000). Allerdings kann man für den Preis dieses Kabels (um 60 Euro) ungefähr 5 Adapterkabel selbst bauen...
Software
Die hier vorgestellte Software ist allgemein für CAN-basierte VOTOL-Motorcontroller gedacht. In den Silence-Rollern werden mechanisch (Gehäuse/Kühlung) und vermutlich auch firmwaretechnisch abweichende Controller eingebaut, deren zulässige Grenzwerte offensichtlich höher sind als für die frei im Markt erhältlichen Controller. Außerdem besitzen die Controller eine Ansteuerung für ein externes zusätzliches Leistungsrelais, welches bei den "freien" gar nicht verwendet wird.
Es gibt viele Anzeichen dafür, dass diese Software nur behelfsmäßig für die bei Silence verwendeten Controller funktioniert. Manche Einstellungen sind inhaltlich falsch beschriftet und Grenzwerte anderes gefasst. Die Einstellungen für den Boost+ Modus von S01+ bzw. SEAT Mo 125 Performance sind teilweise bisher unbekannt. Bestimmte Settings für die Geschwindigkeiten und Stromlimits funktionieren nur in bestimmten Modi. Viele der Einstellungen sind Defaults und werden durch das aktive Management in Akku und Zentraleinheit (ECU) im Betrieb laufend überschrieben. Insgesamt ist das Risiko, mit einer unbedenklich erscheinenden Einstellung unbeabsichtigt ganz andere Parameter zu verstellen, durchaus vorhanden. Die Software sollte daher nur mit Bedacht für wenige bekannte Einstellungen verwendet werden.
Der Software merkt man zudem ihre Herkunft an: Viele Einstellungen sind seltsam abgekürzt und fehlerhaft übersetzt. Alle nachfolgenden Bezeichnungen von Einstellungen mögen auf den ersten Blick als Tippfehler erscheinen, geben aber tatsächlich nur die tatsächlichen Beschriftungen in der Software wieder.
Download und Installation
Die benötigte Software kann man sich bei siaecosys.com kostenfrei herunterladen (siehe Link auf dieser Seite unten), entzippen und die enthaltene ausführbare Datei "EM_V3-40.exe" (MD5 checksum: 9426E109D4411FD1A4C64A3B56B7BAAC) direkt starten. Es ist keine Installation erforderlich. Der Betrieb von einem USB-Stick ist ebenso möglich, wenngleich nicht empfohlen.
Der beigefügte Treiber für den USB-Stick sollte nicht installiert werden - der Treiber ist für FTDI-Sticks gedacht. Erste Versionen des Sticks hatten noch einen FTDI-Chip, inzwischen wird aber ein Clone namens CH9101 verwendet, und ein modernes Windows bringt in der Regel selbst die passenden aktuellen Treiber für beide Chips mit.
Den Stick einfach am PC anstecken und schauen, was Windows damit macht. Im Idealfall findet sich im Windows Geräte-Manager unter der Rubrik "Anschlüsse (COM & LPT)" etwas wie "USB-Enhanced-SERIAL CH9101 (COM..)". Dann ist alles bereit für einen ersten Test. Die Bezeichnung der COM-Schnittstelle (z.B. "COM3") merken.
Hinweise zur Benutzeroberfläche
- Titelzeile des Programms ist "LD-EM-V3", die Optik entspricht eher einem Windows-95-Programm
- Die Einstellungen sind in 5 Tabs organisiert, innerhalb der Tabs in Gruppen
- Tab 4 (DISPLAY) zeigt reale Messwerte vom Controller im Betrieb bei aktiver Kopplung
- Hinter dem Winkel am rechten Bildschirmrand verbirgt sich ein Aufklappmenü mit weiteren Einstellungen. Diese Einstellungen sind für unsere Zwecke sämtlich irrelevant und sollten tunlichst so belassen werden. Einzig wichtige Werte sind die im Block "Calibration" zu findenden "vol cal" (~1490) und "cur cal" - sie sind ebenso wie der Wert des "Hall shift Angle" auf PAGE3 individuell vermessen für jeden Roller.
Eine detaillierte Beschreibung der Software mit allen Einstellungen folgt im Kapitel 2 dieses Artikels.
Funktionstest
Obwohl die Hardware an sich robust genug ist, wird folgende Reihenfolge empfohlen:
- OBD-Kabel anstecken
- Roller einschalten
- USB-Stecker in Laptop stecken - für den ersten Test genügt auch eine Powerbank!
Nun initialisiert sich der USB-Stick. Im Stick befinden sich mehrere LED - neben einer grünen Power-LED gibt es noch eine grüne und eine rote direkt neben dem Klemmenblock. Im Idealfall leuchten diese für ca. 1 Sekunde voll auf und "blinzeln" anschließend sehr schnell, kurz und unregelmäßig (Datentelegramme auf dem CAN-Bus). Leuchten die LED dauerhaft hell und/oder ergeben sich im Display des Rollers seltsame Anzeigen (z.B. "--" statt des Akkustandes) oder Fehlermeldungen sowie das Aufleuchten der gelben Motorkontrollleuchte (engl. MIL), sollte der USB-Stick umgehend vom Strom getrennt werden, denn dann ist er nicht richtig konfiguriert und stört in diesem Zustand massiv die Kommunikation im Roller. Keinesfalls sollte man versuchen, den Roller zu starten oder gar zu fahren. Wenn man den Roller aus- und wieder einschaltet ohne den Stick, wird aber alles wieder wie gehabt funktionieren - die gelbe OBD-Kontrollleuchte (MIL) geht nach dem dritten Neustart dann auch wieder von allein aus. Ist das Verhalten des Sticks unauffällig und der Roller funktioniert auch mit aktivem USB-Stick normal (und nur dann!):
- Software starten
- oben darauf achten, dass kein (!!) Haken bei "CAN enable" gesetzt ist
- die "buadrate" (!) auf 115200 setzen
- die im Gerätemanager gefundene COM-Schnittstelle links unten auswählen
- den Button "OPEN" klicken
- wenn es keine Fehlermeldung gibt, "Conect" klicken
Im Idealfall piept der USB-Stick kurz, die LEDs blinken kurz aufgeregt und nach weniger als 2 Sekunden erscheinen in den Feldern des ersten Programmbildschirms (Reiter "PAGE1") die ersten Daten. Der "success_count" wird anschließend kontinuierlich hochgezählt, wenn das Programm im Hintergrund weitere Live-Daten fortlaufend aktualisiert.
Auf dem Tab PAGE1 wird beim Auslesen aus dem Controller immer als Model "EM-100" erscheinen. Das ist kein Fehler, braucht nicht korrigiert und kann getrost ignoriert werden.
Den frisch ausgelesenen Konfigurationsdatensatz sollte man sogleich mit Hilfe des Buttons "save prarm" auf der Festplatte sichern. Er dient als Datenbackup und er enthält die für jeden Controller individuellen Kalibrierungsdaten für Spannungs- und Strommessung sowie den ab Werk kalibrierten Hallsensor-Winkel. Zu beiden später mehr.
"Reparatur" des USB-Stickes
Hat sich der VOTOL-USB-Stick im ersten Funktionstest als "Busstörer" erwiesen, muss er "repariert" werden. Ab Werk sind diese Sticks oft auf eine CAN-Bus-Baudrate von 500k/s eingestellt und arbeiten als Master, um eine direkte Kommunikation mit dem Votol-Motorcontroller zu ermöglichen. Im Roller werden aber 250k/s verwendet und der Stick muss sich auf die Baudrate am CAN-Bus adaptieren, was er in der ersten Sekunde nach Inbetriebnahme macht (deswegen soll der USB-Stick bei eingeschaltetem Roller aktiviert werden). Die "Reparatur" besteht in der Umprogrammierung des USB-Sticks mithilfe der PC-Software und ist nicht so ganz einfach: Man benötigt eine US-englische Tastaturbelegung (zu installieren über die Windows Systemsteuerung), dann müssen in einer bestimmten Zelle Werte gelöscht und neu eingetragen werden, anschließend sind ein paar Auswahllisten zu klicken und Buttons zu betätigen. Diese Prozedur hat ein User in einem PDF-Dokument Schritt für Schritt beschrieben, was als Anleitung völlig genügen sollte. Das passende Forenthema ist am Ende dieses Artikels verlinkt. ACHTUNG: Diese Prozedur sollte IMMER abseits des Rollers (bei getrennter CAN-Verbindung) vollzogen werden, um mögliche Nebeneffekte und versehentliche Umprogrammierungen des VOTOL-Motorcontrollers zu verhindern! Es ist bekannt und nicht vermeidbar, dass diese Prozedur nicht beim ersten Mal zum Erfolg führt. Den oben genannten ersten Teil des Funktionstest sollte man daher nach jedem Reparaturversuch wiederholen (dafür genügt wirklich eine Powerbank!) und die im PDF genannte Bedienabfolge ggf. mehrmals wiederholen, bis keine Störung des CAN mehr auftritt. Ist das einmal geschafft, hält die Einstellung dafür auch dauerhaft und muss nie mehr wiederholt werden.
Das Programm und seine Funktionen
Wie eingangs erwähnt, sind die Funktionen des Programms sehr vielfältig und teilweise verwirrend beschriftet. Die im Netz verfügbaren Handbücher sind entweder fehlerhaft formatiert oder beziehen sich auf offensichtlich andere Programmversionen. Eine empfehlenswerte Lektüre ist dennoch das unten verlinkte englischsprachige "Controlker Debugging Manual", weil es viele Grundlagen teilweise mit Bildern erläutert und sogar plausible Erklärungen für manche Werte liefert, die in "unserer" Software noch anders benannt werden. Hier werden hingegen nur die bislang bekannten Funktionen für den Einsatz am Silence kurz gezeigt. Die Oberfläche ist unterteilt in
- Datei- und Programmierfunktionen (auf jedem Tab sichtbar)
- 5 Tabs mit unterschiedlichen Einstell- und Anzeigefunktionen
- einem Ausklappteil rechts mit Zusatzfunktionen, umschaltbar mit Spezialkommandos
HINWEIS: Die angepfeilten Werte sind einzuhaltende Einstellungen, von den durchkreuzten Bereichen sollte man ohne detaillierte Fachkenntnis tunlichst die Finger lassen, weil hier dauerhafte Beschädigungen von Controller oder Motor möglich sind. Fußnoten sind je Tab fortlaufend numeriert - Px(y) - und unten erläutert. Die gezeigten Werte in den Bildern sind die Defaultwerte eines unveränderten Silence S01 bzw. SEAT Mo 125 etwa aus dem Jahr 2022 (100-km/h-Version) und können als Anhaltspunkt für den Vergleich mit eigenen Daten dienen. Abweichende bekannte Werte aus einem S01+ bzw. SEAT Performance sind mit "S01+" gekennzeichnet, solche für die langsamen 45-km/h-Versionen (S01 LS bzw. Seat Mo 50) mit "LS"
Bedienfunktionen unten (für alle Tabs)
- PORT-Ausklappliste: verfügbarer COM-Ports. Kann mit "research" aktualisiert werden
- "OPEN" öffnet die Verbindung zum Stick (noch nicht zum VOTOL).
- "Conect" stellt die Verbindung zum Roller her (und trennt sie auch)
- "Param write" schreibt die Konfiguration im Programm in den VOTOL
- "import prarm" liest eine Konfigurationsdatei von Festplatte ein
- "save prarm" speichert die aktuelle Konfiguration in einer Datei
- "success count"/"error count" zeigen die Anzahl gelungener/missglückter Datenoperationen mit dem VOTOL. Ist die Verbindung einmal hergestellt, wird dieser Wert normalerweise laufend hochgezählt, wenn die Software permanent live-Daten für die Anzeige im Tab DISPLAY anfordert.
PAGE1: Verbindungen, Versorgungsspannung, Gasgriffverhalten
- HW/SW: vom Controller gemeldet.
- buadrate immer auf 115200 stellen! "CAN enable" nicht aktivieren, nur dann werden im DISPLAY-Tab die Werte fortlaufend aktualisiert
- P1(1) "Busbar current(A)": Ist nicht die Obergrenze für den Controller (siehe PAGE2). Könnte aber die absolute Stromgrenze für die Modi ECO und CITY darstellen (?). Einige Roller sind 2022 mit "230" ausgeliefert worden, S01+="220", LS=140
- P1(2) "Phase current": 8700, S01+=10826/11000. Sollte NICHT verändert werden!
- P1(3) Gasgriff-Kennlinie. Die analogen Werte des Gasgriffs werden zwar in der ECU digitalisiert und per CAN übermittelt, aber Einstellungen hier wirken sich auf das Gasgriffverhalten und den Drehwinkel aus. Kann aber kaum verbessert werden ohne Einbußen an Beschleunigung und Spritzigkeit
- P1(4) Ansprechverhalten: Beschleunigung startet und ändert nicht ruckartig wie am Gasgriff, sondern mit einer einstellbaren Verzögerung
- P1(5) Diese Werte unterscheiden sich über Modelle und Jahre um 1-2 Volt. Änderungen nicht sinnvoll.
PAGE2: Strom- und Geschwindigkeitsgrenzen, Anfahrverhalten
Auf diesem Tab werden drei Geschwindigkeiten unterschieden: "Low" wird im Fahrmodus ECO verwendet, "Mid" bei CITY und "Hige" bei SPORT. (Tatsächlich wird in einem Silence im Modus SPORT aber der S-Gang des VOTOL benutzt, was zusätzlich verwirrend ist.)
- P2(1): "Current-Limiting(A)" bestimmt den Maximalstrom im Sport-Modus (inkl. Boost+ bei S01+). Von diesem Wert werden auch die Stromlimits im "Three-speed" Kasten P2(3) abgeleitet
- P2(3): In diesem Kasten werden Geschwindigkeits- und Stromlimits in den drei Fahrmodi festgelegt. Die Angaben beziehen sich prozentual auf die Maximalgeschwindigkeit (festgelegt u.a. bei P2(6) und entsprechen bei einem normalen S01 wegen vmax=100 km/h direkt der gewünschten Geschwindigkeit, bei S01+ ist die Geschwindigkeit insgesamt höher und die Werte entsprechend niedriger.
Die zweite Spalte bestimmt für ECO und CITY den Maximalstrom prozentual vom Wert in P2(1), also rund 0,37*230=85 Ampere bei einem S01 für ECO bzw. 0,63*230=145 Ampere für CITY. Der 14%-Wert für "Hige" hat offenbar eine ganz andere Funktion. Niemals verändern!
- P2(4): Für einen VOTOL kann hier normalerweise festgelegt werden, in welchem Modus er beim Einschalten startet. Die ECU im Silence setzt beim Einschalten des Rollers jedoch von sich aus den Fahrmodus immer auf CITY, das kann hier nicht verändert werden.
- P2(5): Die "Soft start" Einstellung bestimmt das Anfahrverhalten des Rollers, so dass auf den ersten km/h niemals die volle Leistung angelegt werden kann, damit wird unter anderem das Durchdrehen des Hinterrades verhindert (ein Silence hat ja keine ASR). Erfahrene Fahrer könnten hier den Roller vom Start weg spritziger gestalten auf Kosten der Sicherheit.
- P2(6) "Hill descent/downhill control" regelt die Maximaldrehzahl des Motors (rotations per minute, rpm). Beim aktuellen S01-Hinterrad entsprechen ~897 rpm etwa 100 angezeigten km/h im Display, und bei einer Einstellung von 915 beendet der Roller bei 102-103 km/h die Beschleunigung und rekuperiert ggf. um zu verhindern dass der Roller schneller rollt. Diese Einstellung wird prozentual auch den Geschwindigkeitslimits für ECO und CITY verwendet. Hinweis: Eine Erhöhung dieses Wertes lässt den Roller zwar schneller als die normalerweise realen 89 km/h fahren, beseitigt aber nicht die Tacho- und Kilometerzählerabweichung → PAGE3.
HHC = Berganfahrhilfe. Funktion ist noch nicht getestet.
PAGE3: Polpaarzahl, Hallsensorwinkel, Rekuperation, Rückwärtsgang
- P3(1) "Pole pairs": hier wird eingestellt, wie viele Polpaare ein Motor hat, bzw. wie viele Dreiphasen-Vollzyklen durchlaufen werden müssen, damit der Motor genau eine Umdrehung macht. "26" ist tatsächlich der korrekte Wert für einen Silence-Motor. Mehr dazu im Kapitel "Umprogrammierung".
- P3(2) "Hall shift Angle": Ohne ins Detail zu gehen, kann mit diesem Wert von typisch "-60" für Radnabenmotore eine Fehlpositionierung des Hallsensors (der dem Controller mitteilt, an welcher Position innerhalb eines Dreiphasenzyklus sich der Motor aktuell befindet, damit der Controller die drei Phasen für eine optimale Kraftentfaltung ansteuern kann) korrigiert werden. Dafür wird idealerweise ein Einmesszyklus gestartet anstatt herumzuprobieren. Sollte nur von Leuten geändert werden, die sich mit solchen Motoren und ihrer Ansteuerung wirklich auskennen. Dieser Wert gehört zu den drei rollerspezifischen Konfigurationswerten.
- P3(3) "Reversing the speed limit" bestimmt prozentual die Maximalgeschwindigkeit im Rückwärtsgang
- P3(4) "EBS ratio" ist der prozentuale maximale Rekuperationsstrom bezogen auf den Maximalstrom im Roller, vermutlich P2(1), normalerweise also 46 Ampere.
- P3(5): Hier kann die Drehrichtung geändert werden. Sinnvoll nur wenn man sich beim Anklemmen des Motors am Controller vertan hat :-)
Zu den übrigen Werten liegen keine Erkenntnisse vor. Motor type, Out-put und Double voltage sind für die Bauart und die Datenübertragung im Silence festgelegt und nicht änderbar.
DISPLAY: Live-Werte aus dem Controller
Der "DISPLAY"-Tab zeigt Live-Werte vom Motor und Controller wie Drehzahl, Strom und Spannung. Inverter(Controller)- und Motortemperatur liefern auch die Daten für die Anzeigen im Rollerdisplay. Eventuelle Fehlercodes werden angezeigt und Fehlerflags.
- D(1) "Gears" (Gänge): Fahrmodus. Im Betrieb zeigen sich hier ein paar Auffälligkeiten, so liegt nach dem Initialisieren der S-Gang an und der reale Fahrmodus wird erst gesetzt, wenn der Roller "READY" geschaltet wird, vorher werden schlicht keine Gasgriff-Werte übertragen.
- D(2) Dieser Block zeigt normalerweise die direkt am Controller angeschlossenen Schalter und Sensoren an: "R" für "Revers" (Rückwärtsgang), "Brake" (Bremsen), "SIDESTAND" (Seitenständer) und "Regen" bei aktiver Rekuperation. "ANTITHEFT" kann von einer Alarmanlage benutzt werden und verhindert das Wegschieben des Rollers durch aktives Gegensteuern (wird das bei der Silence-Alarmanlage benutzt?). "P": ???
Port-Konfiguration
Auf diesem Tab werden die am VOTOL angeschlossenen Schalter und Sensoren konfiguriert und ihre Funktion festgelegt. Für Silence ergeben sich hier keine sinnvollen Tuningmöglichkeiten. Es wurde aber berichtet, dass man mit dem Setzen bei PD15 - PS(1) - auf "1:empty_func" und Deaktiveren von "SW" die Rekuperation in allen Modi ausschalten kann. Das Setzen des Wertes in P3(4) auf PAGE3 auf "0" sollte den gleichen Effekt haben.
Das Ausklapp-Menü
Am rechten Rand symbolisieren zwei schwarze Linien einen Pfeil. Klickt man darauf, klappt nach rechts ein weiteres Menü aus.
- E(1) dient normalerweise zum genauen Vergleich zweier Konfigurationen (per Checksumme). Die genaue Funktion ist noch zu ergründen und hier nachzutragen.
- E(2) sind Kalibrierwerte zur Verbesserung der Genauigkeit der VOTOL-internen Messungen von Spannung und Strom. Sie müssen normalerweise nicht verändert werden. Diese Werte gehören zusammen mit dem Hall shift Angle auf PAGE3 zu den bei jedem Motor und Controller individuell verschiedenen Werten, weswegen von einem direkten Austausch einer Konfigurationsdatei zwischen zwei Fahrzeugen dringend abgeraten werden muss.
- E(3) Hier könnte man normalerweise per Mausklick Gasgriff und Gangschaltung simulieren, allerdings konnte das noch nicht zum Laufen gebracht werden bei einem Silence.
- E(4) bietet offensichtlich die Möglichkeit, eine neue VOTOL-Firmware zu programmieren. Da diese Firmware nicht frei verfügbar ist, vor allem nicht eine Silence-spezifische: FINGER WEG!
Umprogrammierungen
Kennern der Technik eröffnen sich sehr viele Möglichkeiten, die von einer Optimierung der Funktion bis zur Zerstörung von Controller und Motor reichen. Für den interessierten Laien bieten sich hingegen folgende recht einfache und günstige persönliche Optimierungen des Fahrverhaltens an. Wichtig ist das Einhalten bestimmter Grundregeln für eine sichere und gefahrlose Programmierung. Ausdrücklich empfohlen sind jegliche Konfigurationsänderungen nur dann, wenn die Hard- und Software störungsfrei funktioniert - ein minutenlanger Diagnoselauf und Beobachung der Live-Werte im Tab DISPLAY und des "success count" im unteren Bereich der Oberfläche sollte keine Auffälligkeiten zeigen, bevor man auch "nur ein Bit kippt". Empfohlen ist diese Reihenfolge: Bitte diese Vorgehensweise nochmal checken und ggf. optimieren!!
- OBD-Kabel anstecken, Laptop und USB-Stick verbinden, Software starten
- Roller einschalten
- COM-Port auswählen, "OPEN" und dann "CONECT". Es sollte automatisch die aktuelle Konfiguration aus dem VOTOL ausgelesen werden
- Diese Konfiguration sofort mit "save prarm" speichern!
- mögliche Einstellungen vornehmen
- Einstellungen in einer anderen Datei sichern
- In den VOTOL schreiben mit "Param write". Der USB-Stick piepst kurz. Der Controller macht selbst einen Neustart (zu hören am Motorrelais). Die Einstellungen sind sofort gültig!
- Roller ausschalten und 20 Sekunden warten
- Schritte 2-4 wiederholen
- die zurückgeladenen Werte vom VOTOL peinlich genau kontrollieren und abspeichern.
Wenn man einen bitgenauen Vergleich der erzeugten Dateien aus Schritt 6 und 10 anstellen kann, sollte es keine Abweichungen geben. Nun kann man eine erste Probefahrt machen und die neuen Werte testen. Anderenfalls sicherheitshalber die Datei aus Schritt 4 laden und in den VOTOL schieben um den Ausgangszustand wiederherzustellen.
Korrektur von Tacho und Kilometerzähler
Das leidigste Thema ist die hohe Abweichung von Kilometerzähler und Tachometer: Bei angezeigten 100 km/h ist man GPS-gemessen nur 88-89 km/h schnell und eine Wegstrecke von 100 Kilometern war in Wirklichkeit nur 88 km lang. Die Verbrauchswerte sind geschönt und der Roller muss zu früh zur nächsten Inspektion. Die Ursache des Dilemmas ist unbekannt, orakelt wurde viel. Um den Roller schneller zu machen, könnte man den HDC-Wert von 915 rpm - P2(6) - um 10% erhöhen und erreicht so einen schnelleren Roller, aber das Problem der falschen Anzeigen ist damit nicht gelöst. Der Trick ist, dem Controller eine falsche Drehzahl unterzujubeln und damit auch der ECU, die daraus Geschwindigkeit und Wegstrecke errechnet.
Das beste Mittel dafür ist die Polpaarzahl des Motors - P3(1). Setzt man sie auf "29", dann stimmt das zwar nicht mit der physikalischen Realität überein, aber alle Probleme erledigen sich auf einen Schlag. Der Controller liefert pro gewünscher Umdrehung 3 Drehstromzyklen mehr, der Motor dreht deswegen real auf 29/26=111,5% der vorherigen Geschwindigkeit. Bei maximaler Geschwindigkeit des Motors sieht der Controller weiterhin etwa ~897 statt nun realen ~1000 rpm (was man beim Versuch auf dem Hauptständer auch sofort am höheren hörbaren Ton des Motors gegenüber vorher erkennen kann), und das Display zeigt weiterhin den für 897 rpm zu hohen Wert an - da sich das Rad nun aber schneller dreht, stimmt auch die Geschwindigkeit, bzw. der Restfehler liegt bei -1%. Es ist also weiterhin gewährleistet, dass der Tacho (nur etwas) mehr anzeigt als tatsächlich gefahren wird. Das stellt im rechtlichen und technischen Sinne dann keine unzulässige Manipulation am Fahrzeug dar.
Einmal die nötige Hard- und Software eingerichtet, dauert diese Prozedur kaum eine Minute, und die Freude darüber ungleich länger.
Risiken und Nebenwirkungen: Es muss natürlich beachtet werden, dass ein so modifizierter Roller vom Fleck weg dauerhaft schneller fahren kann als ein S01+ für 30 Sekunden im Boost+-Modus (dieser schafft dann real ca 96 km/h). Die bei Vollgas abgerufenen Ströme auf einer flachen Landstraße außerorts für den Erhalt der Höchstgeschwindigkeit erhöhen sich von 130-140 auf 160-180 Ampere, und der Maximalwert von üblicherweise 230 Ampere wird bis zum Erreichen der Höchstgeschwindigkeit deutlich länger abgerufen. Freilich ist die Belastung bei einer langgestreckten Bergauffahrt auch ohne Modifikation deutlich höher.
Aufpassen müssen vor allem auch die Fahrer eines S01+/Performance: im Boost+-Modus erreicht der Roller eine deutlich höhere Endgeschwindigkeit bei deutlich mehr Energieverbrauch. Das hat Silence so ganz sicher nicht auf dem Schirm gehabt, während ein Normal-S01 durchaus nur in die Nähe des Energiehungers eines S01+ kommt, der vermutlich gar keine anderen oder besseren Komponenten, nur eine andere Softwareabstimmung, verbaut hat.
Der Autor dieser Zeilen hat daher das Maximalstrom-Limit von 230 auf 200 Ampere gesenkt und die Einstellwerte für ECO und CITY ebenfalls angepasst, so dass sich bei in diesem Modi keine Änderung des Fahrverhaltens ergibt, der Akku aber bei Vollgas in SPORT beim Beschleunigen deutlich weniger belastet wird. Die echten 100 km/h werden dennoch problemlos und zügig erreicht. Andere User fahren aber ohne diese Sicherheitsanpassung seit mehr als einem Jahr ohne Probleme.
Individuelle Anpassungen der Fahrmodi
Bei der Erklärung der Werte auf PAGE2 oben wurden die Zusammenhänge schon erläutert. Man kann sich relativ frei Endgeschwindigkeit und Energiehunger der einzelnen Modi frei konfigurieren.
- beim Normal-S01 entspricht die Geschwindigkeit etwa dem Prozentwert von den maximalen 100 km/h. Die gewünschte Endgeschwindigkeit kann man direkt in der ersten Spalte bei P2(3) eintragen.
- Ein S01+ dreht durch den höheren Wert bei P2(6) von selbst ca 10% schneller, deswegen sind bei ihm niedrigere Werte inkl 95% bei "Hige%" eingetragen, damit er (etwa) die gleiche Endgeschwindigkeit erreicht.
- Möchte man dem ECO-Modus mehr Spritzigkeit verleihen, erhöht man den Wert in der zweiten Spalte bei "Low%"
- Die Maximalströme in den Modi hängen vom Wert in P2(1) (Sport mode setup - Current limiting) ab. Ändert man diesen, muss man die Stromlimits für Low und Mid ebenfalls anpassen, wenn sich das Verhalten in diesen Modi nicht ebenfalls ändern soll.
Der Rest ist Rechenarbeit mit Stift, Papier und Taschenrechner. Ein Änderungsbeispiel zum Nachrechnen:
- PAGE2: Senkung des current limits im Sport setup von 230 auf 200 A
- PAGE2: Änderung der Stromlimits im "Three speed setup": Low von 37% auf 43% (42,5% aufgerundet)
- PAGE2: Änderung des Stromlimits im "Three speed setup": Mid von 63% auf 73% (72,5%, aufgerundet)
- PAGE2: Senkung des Speedlimits im "Three speed setup": Low von 70 auf 55
- PAGE3: Motor settings, Pole pairs von 26 auf 29
ergibt folgende Änderungen:
- Tacho- und km-Zähler Korrektur auf fast korrekte reale Anzeigewerte
- echte Endgeschwindigkeit von knapp 100 km/h
- Reduzierung des Maximalstroms von 230 auf 200 Ampere
- Gleiches Beschleunigungsverhalten in ECO und CITY
- reduzierte Endgeschwindigkeit von nur 55 km/h in ECO (Vollgasmodus Stadtverkehr ohne Blitzergefahr)
hier gern weitere Beispiel einfügen!
Weiterführende Links
- siaecosys Downloadseite - dort nach "Download Software Votol EM-2SP" suchen
- SiaEcosys Controller Debugging Manual erläutert einige Settings mit Diagrammen und hilft beim Verstehen etlicher Einstellungen, ist aber nicht 1:1 anwendbar (andere gezeigte Software)
- Forenthema "Reparatur des defekten VOTOL-Sticks"