LiFePO4-Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen

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LiFePO4-Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen

Beitrag von MEroller »

Auf der Suche nach verwertbaren Unterlagen im Netz zum temperaturbedingten Verhalten von LiFePO4 Zellen bin ich auf eine Präsentation von einem Dr. Languang Lu vom August 2011 gestoßen, die unheimlich vollgestopft ist mit sehr wertvollen Infos, was beim Laden und Entladen bei unterschiedlichen Temperaturen und Ladezuständen mit der Zellspannung und dem Innenwiderstand passiert. Das alles auf dem Hintergrund, die Randbedingungen für ein BMS zu ermitteln. Hier ist mal der Link auf die Präsentation (ein pdf) auf der Seite des Argonne National Laboratory (USA):
http://www.cse.anl.gov/us-china-worksho ... %20BMS.pdf
Scheinbar hat sich der Dr. 60 bis 70Ah Zellen vorgenommen mit einem ziemlich genial niedrigen Innenwiderstand, der sich aber ganz gewaltig erhöht unterhalb von 15°C Zelltemp. Auch interessant sind seine gemessenen Leerlaufspannungen (Open Circuit Voltage oder OCV) über Lade-/Entladezustand (da gibt es eine gewisse Hysterese dazwischen), die sich aber erst nach bis zu 4h Standzeit einstellen. Auch er kommt zu dem Schluss, dass die Leerlaufspannung nur am oberen und unteren Ende des Ladzustandes zuverlässige Rückschlüsse auf selbigen gibt.

Ich bin gerade am Durchackern, analysieren und reverse engineering dieser sehr gehaltvollen Präsentation, um hoffentlich dadruch endlich meinen immensen Ladeschwierigkeiten bei Batterietemp. kleiner 15°C auf die Spur zu kommen. Vielleicht hilft sie anderen hier ja auch weiter, insbesonders wenn chinesisch-imperfektes Englisch keine große Hürde ist.
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Re: LiFePO4-Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen

Beitrag von MEroller »

Alf20658 hat geschrieben:Es ist ja schon merkwürdig das Du schon bei etwa 15 Grad schwierigkeiten bekommst, und ich erst bei unter 0 Grad. Ja, ok, Dein Controler saugt mehr Strom, Deine Batterien sind um ein drittel kleiner als meine, aber warum geht meiner bei 0 grad ab wie die Sau, und Deiner kackt ab.
Um das mehr an Saugen zu quantifizieren: bei mir saugt's bei vollem Abzug bei ca. 35km/h etwa 180 bis 190A aus der Batterie, macht etwa 4,75 C Spitzenbelastung bei meinen 40Ah.
Bei Dir sind das 80A, sprich bequeme 1,33C bei Deinen 60Ah. Da haben es Deine CALBs einfach vieeeeeel gemütlicher :D

Aber mein Hauptproblem, fast von Anfang an, ist ja das Laden. Und da finde ich die Messergebnisse des Herrn Professor schon sehr aufschlussreich. Mein BMS habe ich zunehmend weniger im Verdacht, da ich beobachtet habe, dass die Batteriespannung bei Zelltemp. um +5°C beim Laden sehr schnell jenseits von 82V steigt. Das heißt die ganze hardware um die Batterie rum (Ladegerät und BMS) tut was sie soll, aber die Batterie selbst sorgt durch den stark erhöhten Innenwiderstand dafür, dass das Ladegerät auch bei 50% Entladung eine wesentlich höhere Differenzspannung zur Batterie aufbauen muss, um 10A Ladestrom zustande zu bringen, und auch das BMS könnte dann wegen lokalem überschreiten von 3,7V verfrüht das Laden abschalten. Aber lass mich noch ein bisschen knobeln mithilfe des Professors Präsentation, dann kommen wir diesem Phänomen sicher näher. Hilfreicher wäre in diesem Fall ein Ladegerät, dass Zelltemp.-abhängig unter 15°C den Zielladestrom beginnt abzusenken...
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Beitrag von STW »

Die Präsentation beschreibt, wissenschaftlich fundiert, die Beobachtungen, die wir mit unseren Zellen bei diversen Temperaturen gemacht haben, bzw. bestätigt diese. Insbesondere die Vermutung, dass der Innenwiderstand recht kräftig bei fallenden Temperaturen ansteigt, wird bestätigt. Mit dann allen negativen Konsequenzen für Ladeverlauf bzw. Entladeverhalten.

Vielleicht zieht ja mal (endlich) ein BMS-Hersteller die Konsequenzen daraus und entwickelt (endlich) mal ein temperatursensitives BMS. Als Konsequenz bis dahin empfiehlt sich in der Tat die Verwendung eines schwächeren Ladegerätes, das mit erheblich weniger Ladestrom unseren Schätzchen auf die Pelle rückt.
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Beitrag von STW »

Solange ein BMS auch mit Balancern arbeitet, dann meine ich beides. Die Zellen fahren bei gleichem Ladestrom aufgrund des höheren Innenwiderstandes eher die Balancer an, bei driftenden Innenwiderständen geht der Ladezustand dann eher auseinander. Niedrigere Ladeströme würden das Problem reduzieren. Alternativ: soviel Intelligenz im BMS, dass die Ladestromstärke heruntergeregelt wird, sobald ein Balancer ans Arbeiten kommt.

Die hohen Fahrströme kommen dann als Problem hinzu. Seitdem ich fast die doppelte Akkukapazität habe, macht das Fahren im Winter immer noch Spaß, auch wenn schon deutlich weniger Spritzigkeit als im Sommer zu merken ist.

Ein CPU-basiertes BMS wäre eine optimale Lösung. Die Kennlinien aus dem Vortrag müßten hinterlegt werden, dann wäre SOC ermittelbar, die Reichweite ebenso, ideale Ladeströme, Gleichlauf der Zellen, eine sinnvolle Unterspannungsabschaltung in Abhängigkeit von Temperatur und Last, und ausreißende Zellen wären frühzeitig detektierbar. Aber das ist im Moment noch Träumerei ...
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Re: LiFePO4-Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen

Beitrag von MEroller »

Zum einen: Frohe Weihnacht :D
Zum weiteren: Die Spitzenstöme, die ich genannt hatte, sind nur sehr kurzzeitg am Werk im Keller meines E-Pferdechens, nur für jeweils 2-3 Sekunden beim Beschleunigen. Der normale Strombedarf liegt zw. 40 und 80A, also zahmen 1 bis 2C- Lediglich der Anstieg bei kalter Batterie abends aus dem Neckartal würde die Batterie über ca. 3 Minuten mit etwa 120A (3C) belasten, was aber nur bis 10°C Zelltemp. geht, ohne dass die Gesamtspannung unter 65V einbricht. Was mich zum inzwischen aus Dr. Lu's Innenwiderstandsmessungen bei verschiedenen Ladezuständen und Zelltemp. extrapolierten Verlauf bei meinen 40Ah GBS Zellen bringt:
Innenwiderstand_GBS_LFMP40Ah.gif
Innenwiderstand_GBS_LFMP40Ah.gif (18.97 KiB) 4722 mal betrachtet
Bei 25°C Zelltemp. hat die volle Einzelzelle nach meinen Messungen ca. 2,6mOhm gesamten Innenwiderstand (Ohm'scher und durch die Polarisation bedingt), und der Verlauf scheint etwa der o.g. Darstellung zu folgen. So lassen sich meine Spannungseinbrüche an verschiedenen Stellen der Fahrt / Entladezuständen und Batterietemp. recht gut abbilden.

Was sich nicht bewahrtheitet hat war mein Verdacht, dass der Ladestrom von 10A bei Batterietemp. unter +10°C zu einem so starken Spannungsanstieg führt, dass Ladegerät und/oder BMS zu früh abschalten, weil 85..87VGesamtspannung oder 3,7 Zellspannung überschritten wurde. Nach den oben dargestellten Widerstandskurven und ausgehend von Dr. Lu's Lade-Leerlaufspannungen führen die 10A Ladestrom selbst bei 5°C im relevanten Bereich um 50% Entladung nur zu einer Spannungserhöhung um die 1,2V. Da die Batteriespannung bei Heimkunft etwa bei 79V liegt reicht das also bei weitem nicht, um innerhalb weniger Minuten auf über 85V zu kommen... Aber vielleicht habe ich noch irgendeinen Effekt nicht ausreichend berücksichtigt, den ich aber noch nicht kenne.

Bleibt also, wie Alfred schon angemerkt hat, noch das BMS als verdächtig, aber auch das Ladegerät selbst kann ich noch in keiner Weise vom Generalverdacht des vorzeitgen Ladeendes befreien.

Bezüglich BMS kann ich inzwischen vermelden, das es mir gelang - mittels meines betagten PCs mit echtem RS232 COM Anschluss, den ich bei warmen 10°C heute vormittag samt Monitor, Keyboard und Maus in die Garage verfrachtet hatte und umgedreht auf mein Helmfach stellte, um das kurze RS232 Kabel vom Emsiso-BMS einstecken zu können :lol: - endlich eine neue Firmware aufzuspielen, die den bei mir verwaisten externen Temperatursensoranschluss mit dem internen BMS Temperatursensor verbindet, so dass jetzt erst ab den als Mindesttemperatur eingestellten -20°C das Laderalais unterbrochen würde. Es wird dann im Januar spannened, ob sich die Laderei unter +10°C damit bessert oder nicht.

Im übrigen könnte das Emsiso BMS2405 schon einen Großteil der von Dr. Lu vorgegebenen Parameter abdecken. Mittels Stromsensor wäre eine reelle Ladzustandserfassung möglich, und ein in der Tiefe der Batterie versenkter Temperatursensor würde zumindest als Mindestschutz das Laden bei zu tiefen Zelltemp. unterbinden. Was diesem BMS aber noch fehlt wäre eine Regelmöglichkeit des Ladestroms, so dass nicht nur tumb unterborchen oder durchgeleitet würde, sondern bei tieferen Batterietemp. auch der Ladestrom entsprechend reduziert würde, um metallische Lithium-Beschichtung der Anode zu verhindern. Balancieren tut das BMS hervorragend, das variiert bei meinen 24 Zellen inzwischen nur noch um ein paar milivolt, auch kurz nach dem Volladen. Inzwischen ist der Gleichaluf so gut, dass das Ladegerät wieder bis fast 87V kommt, bevor abgeschaltet wird.
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Beitrag von STW »

Den einzigen Effekt, der m.E. nicht beim Dr. herausgearbeitet wurde, ist die Frage des Innenwiderstandes beim Laden statt Entladen (falls ich da nicht irgendwas übersehen habe in der Studie). Auch wenn es auf den ersten Blick als nicht wahrscheinlich erscheint, so könnte trotzdem die Chemie dazu führen, dass der Innenwiderstand beim Ladevorgang ein anderer ist als beim Entladen. Und damit wären wieder einige Effekte erklärbar. Das ist aber nur graue Theorie, entweder müßte das jemand mit geeignetem Equipment nachweisen oder zumindest anhand der Chemie theoretisch belegen müssen.
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Re: LiFePO4-Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen

Beitrag von MEroller »

Ich merke schon, wir sind auf derselben Wellenlänge :D Denn genau dieser Gedanke an Innenwiderstand beim Laden treibt mich auch noch um. Wobei ich das derletzt versucht habe, nachzuvollziehen, was aber dank derzeit nur im Controllerkreis eingeschleiftem Shunt nur rudimentär mit angenommenen Ladeströmen gelingt. Aber aufgrund dem Spannungssprung Leerlauf-10A (ca...) Laden bin ich schon auf ähnliche Widerstandswerte wie beim Entladen gestoßen. Aber wie gesagt, ein richter Nachweise war das noch nicht... Dazu müsste schon der Shunt wieder am Minuspol der Batterie sitzen und meinem CA somit die ganze Wahrheit kundtun. Wobei, das war ja Anfangs so, vielleicht kann ich eine meiner ersten Ladeaufzeichnungen dahingehend nochmals auswerten.
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Re: LiFePO4-Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen

Beitrag von MEroller »

Eine Interessante Diplomarbeit an A123 Rundzellen aus Schweden gibt es unter diesem Link:
http://komar.bitcheese.net/files/JensGroot.pdf
Wenn mit einem simulierten Hybridbus-Zyklus aus Götheborg / Schweden (Zyklus A in dieser Arbeit) diese Zellen nur zwischen 50 und ca. 22% Ladezustand (SOC) benutzt werden, mit teils fürchterlichen Lade- und Entladeraten im Bereich von bis zu 17C rein bzw. 23C raus (im Mittel 2,82C), dann sind bei 23°C Zelltemp. bis zu 9 000 Lade-/Entaldezyklen möglich, bis nur noch 80% der Neukapazität erreicht werden, und wenn das Ganze bei 35°C gemacht wird - da hat ihm die Zeit nicht mehr gereicht zum fertig Testen :D Wenn man es weiterführt könnten da bis zu 12 000 Zyklen rauskommen!!!
Bei Konstantstrom 3,5C (Laden UND Entladen) und 100 bis 11,4% SOC waren "nur" 1500 Zyklen bis 80% der Neukapa möglich, egal ob bei 23 oder 35°C (Zyklus C in der Arbeit). Das entspricht üblicherweise auch den Herstellerangaben.

Was lernen wir daraus?
1. Nach Möglichkeit LiFePO4 NIE ganz voll (>3,7V) laden, besser nur bis 3,5...3,6V, noch ganz entladen (da müsste ich mein BMS mal umprogrammieren, und ein bisschen Reichweitenverlust wird es geben...)
2. Beim normalen Fahren mit stark wechselnden Strömen, speziell mit Regeneration, sind 35°C in der Batterie stark Lebensdauerverlängernd, ganz abgesehen von der enorm verbesserten Leistung der Batterie bei dieser Temp. Meine GBS haben mir letzteres auch schon bestätigt, über 35°C in der Batterie ist mein Roller wie ausgewechselt, gefühlt ein gutes Drittel mehr geht dann ab an roher Beschleunigung :twisted: Und das tut der Batterie dann auch noch gut :mrgreen:
3. Hohe Lade- und Entlade-Maximalströme sind den Zellen auf die Lebensdauer bezogen ziemlich egal, zumindest den A123

Vielleicht muss ich meine Batterieheizung noch ein bisschen länger betreiben, um näher an 35°C Batterietemp. beim Fahren zu kommen :?:
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