ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

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Schnabelwesen
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von Schnabelwesen »

Hier kommen genauere Infos zum Akkuumbau beim ATU Explorer E-Cruzer (2019):
1. Ausgangspunkt
Im Explorer E-Cruzer sind Lithiumionen-Akkus mit 18650er Rundzellen mit 3,7V Nennspannung verbaut. Die 60V-Batterie hat 16 serielle und jeweils 8 parallele Zellen, ist also die kleinere Variante der 60Volt-Akkus (gegenüber 17s). Mit nominell 20 Ah kommt man normalerweise etwa 40-50km weit. Die Akkus und das BMS sind (neben dem schwachen Controller) das Nadelöhr. Die möglichen 3.000W des Boschmotors werden nicht annähernd ausgeschöpft.
Außerdem taugen die Akkus nicht viel. Bei den meisten E-Cruzern aus 2019 gehen spätestens jetzt die Zellen in die Knie. Die Reichweite nimmt kontinuierlich ab: 30km - 20km – und dann bald Ende.
Ersatzakkus kosten um 1.200€ und sind schon lange nicht mehr lieferbar. Ohne Akkureparaturbetriebe oder Selbsthilfe wären die hübschen Roller reihenweise tot. Dabei können sie locker weitere fünf Jahre oder mehr fahren.
2. Ersatz
Ich hatte aus mehreren Rollern gute und schlechte Akkus. Die guten habe ich meiner Tochter gegeben, die schlechten erneuert.
Der fest eingestellte Controller ist auf 16 serielle Zellen programmiert. Wenn der Controller nicht getauscht wird, ist man also auf diese Bauform angewiesen.
@Blowfly z.B. hat sich selbst Akkublöcke aus Rundzellen zusammengebaut. Das ist allerdings anspruchsvoll und zeitaufwendig.
Daher habe ich Folienakkus aus China bestellt. Mein Lieblingsshop Shenzhen Foxell Technologies hatte sie nicht. Daher habe ich zwei Stück bei GlobalPower bestellt.
Mein Modell sollte von Varicore mit Liitokala-Zellen stammen. Das kann ich nicht überprüfen, ist aber nicht unwahrscheinlich. Das Pack 16s 8p soll 24Ah Kapazität haben, also 3.000mAh/Zelle. Das könnte auch passen.
Allerdings war eine der beiden Batterien „eingefroren“. Sie ließ sich weder laden noch entladen. Daher habe ich sie aufgemacht und das BMS vom Akkustrom B+ und B- getrennt. Danach funktionierte er wieder. Dabei habe ich festgestellt, dass das BMS mit 20A nominaler Leistung angegeben war – eine kleine Platine, die nur durch eine dünne Isolation auf den Zellen klebt und bei Überhitzung durchaus Schaden anrichten kann. Nach einigem hin und her kam die Auskunft vom Hersteller, dass sie angeblich gar kein größeres BMS liefern können. Dabei war in der Tabelle ganz klar 50A angegeben. Das grenzt an gefährlichen Betrug.
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Ich bekam 50$ /Akku zurück und habe dafür Batteriemanagementsysteme 60A mit Bluetooth von Daly eingebaut. Sie passen oben quer grade so ins Gehäuse, weil die Anschlusskabel recht flexibel sind.
Bisher konnte man in Shops bei Aliexpress günstig passende Akkupacks kaufen. Das wird anscheinend immer schwieriger. Auch mein Modell ist nicht mehr lieferbar. Zunehmend werden 21700er Zellen verwendet. Die passen aber nicht ins Gehäuse mit einer Innenhöhe von 70mm. Gefunden habe ich diese hier: 438,78€ | Luftschneller Transport Neue 18650-Lithiumbatterie mit voller Kapazität 60 V 24 Ah Lithiumbatterie 16S8P Geeignet für 250–2000 W https://a.aliexpress.com/_EuoRHTa. Der Preis liegt zurzeit bei 219 € einschl. Luftfracht. Das ist sensationell günstig. Der Anbieter scheint auch vom Fach zu sein, aber ich kenne ihn nicht. Auf das eingebaute BMS würde ich mich nicht verlassen. Es ist mit 25A angegeben – evtl. das gleiche wie meins mit 20A, weil ich auch bei Liitokala unterschiedliche Angaben gefunden habe.
3. Demontage
Alle Schrauben rundherum rausdrehen. Den Deckel nach unten und das Gehäuse vorsichtig aufhebeln. Einige Kabel sind recht kurz. Die kleine Batteriestandsanzeige habe ich deaktiviert und die Platine ausgebaut. Mit dem neuen BMS arbeitet sie sowieso nicht zusammen.
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Stecker vom BMS lösen und Batteriekabel sowie Ladekabel einzeln!() abschneiden. Auch bei alten Akkus sind über 60V und noch eine Menge Restkapazität drauf – also grundsätzlich höchste Vorsicht, um Kurzschlüsse zu verhindern!
Jetzt die kleinen Schrauben am Boden lösen und das Akkupack herausheben.
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4. Einbau
Im Gehäuse gibt es Führungen aus dünnem Blech. Die müssen z.T. weggeflext werden. Man kommt da mit dem Winkelschleifer grade so in die Ecken. Da darf nichts Scharfkantiges mehr stehen bleiben. Ich habe alles glatt geschliffen und mit der Spraydose übergespritzt.
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Die 17 Kabel zum BMS habe ich durchgeschnitten und mit dem Kabelsatz des Daly verlötet. Dafür habe ich vorher Schrumpfschläuche über die Kabel gezogen und damit die Lötstellen isoliert. Zum Löten braucht man eine Unterlage, um die Zellen nicht zu schädigen.
Der ATU-Akku hat zwei Buchsen, eine zum Laden (C16 oder so?) und eine zum Entladen (Chogori 2-1-5). Von den vielen Kabeln und Kontakten ist so gut wie nichts durchverbunden. Entweder gibt es im Akku keinen Anschluss oder in irgendeinem Stecker im Roller endet das Kabel.
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Laden und Entladen (B+ und B-) sind einfach parallel geschaltet. Das kann so bleiben, weil das Daly ein „common port“-BMS ist. Ein Signalkabel schaltet über das Zündschloss den Originalakku frei (kleiner Pin in der Mitte Nr. „4“). Das entfällt, weil das Daly auf Spannungsveränderung hin aufwacht. Ein Kabel versorgt das Display mit Informationen zum Ladestand. Diese Funktion entfällt leider, sodass das Display nur noch den Balken mit der Spannung anzeigt. Ich habe ein Coloumbmeter verbaut. Das ist aber eine andere Baustelle.
BMS und Chogoristecker habe ich mit XT60-Kupplungen verbunden. Hier natürlich unbedingt auf die richtige Polung achten!
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Das Akkupack habe ich mit einer dünnen Isolierung umwickelt und die Hohlräume mit festem Dämmstoff ausgefüllt. Beim Zusammenbau stand das Gehäuse erfreulicherweise etwas unter Spannung. Daher habe ich den Deckel mit Schraubzwingen so fixiert, dass die kleinen Gehäuseschräubchen leicht reingehen.
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Für den Blutooth-Sender/-Empfänger habe ich ein Rundloch ins Gehäuse gebohrt. Der Empfang funktioniert grundsätzlich auch durch die Gehäusewand. Aber manchmal braucht man den kleinen Taster auf dem runden Chip, damit die Verbindung zustande kommt.
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5. Ergebnis
Ich habe zwei Akkus umgebaut und per Y-Kabel parallel geschaltet. Per App kann ich den Zellzustand überwachen. Bisher gab es kaum Spannungsunterschiede über 1/100 (0,01-0,05) Volt. Mit beiden Akkus läuft der Roller ein paar km/h schneller und bleibt länger stabil ohne den lästigen Leistungsabfall. Ob die Kapazität nennenswert höher ist, weiß ich nicht. 90-100 km weit kommt man mit beiden Akkus aber mindestens.
Schöne Grüße, Bertolt
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conny-r
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von conny-r »

Hallo Bertolt,

Danke für die ausgezeichnete Dokumentation.

Der Sommer kann kommen. :D
Gruß Conny

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EEKFZ
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von EEKFZ »

Da schliesse ich mich conny-r sehr gerne an:

Chapo!
für Ideen, Umsetzung und Doku.
Jesus sprach: "Es werde Licht", doch es funktionierte nicht.
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Schnabelwesen
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von Schnabelwesen »

Vielen Dank! Leider fehlen mir Fotos vom neuen Akkuinnenleben mit dem Daly-BMS. Das sieht nämlich ziemlich knuffig aus😄.
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peterpan1337
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von peterpan1337 »

WOW !!!
1000 Dank, das Projekt werde ich angehen 🫣

Wahnsinnig gute Doku, danke für deine Zeit

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Schnabelwesen
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von Schnabelwesen »

Supi, viel Erfolg! Die Akkus werden übermorgen nochmal billiger plus Rabattcode.
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von Schnabelwesen »

Das Akkupack ist unten am Boden mit kleinen Schräubchen fixiert, die zunächst gelöst werden müssen. Ich habe das in dem Beitrag ergänzt.
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techniker1484
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von techniker1484 »

Hallo, Danke dir für deine ausführliche Dokumentation deiner Arbeit.
Das mit dem Dali oder JK BMS bekomme ich hin. Aber wie hast du das gemacht das das Zündschloss das BMS frei gibt? sonst ist der Roller doch immer an?
Ein aus und einschalten muss es doch geben? Kannst du das vielleicht anhand von Bildern oder Skizzen erklären?
Danke und Gruß

techniker1484
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von techniker1484 »

Hallo,
eine weitere Farage noch zu dem Umbau.
Brauche ich dann ein anderes Ladegerät um den Akku auf 66v zu laden? Der Ladevorgang läuft dann ja auch über das Daly BMS ? oder
Das originale Ladegerät wird ja auch eine Kommunikation zu dem Akku haben?
Wenn man den akku auf 17S umbauen würde, muss man dann auch am Roller was machen? Oder macht er das so mit? 16s und 17s kein problem
Danke

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Schnabelwesen
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Re: ATU E-Cruzer: Alternativer Akku

Beitrag von Schnabelwesen »

techniker1484 hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2025, 09:10
Aber wie hast du das gemacht das das Zündschloss das BMS frei gibt? sonst ist der Roller doch immer an?
Ein aus und einschalten muss es doch geben?
Das Daly hat keinen eigenen Einschaltpin. Es reagiert auf Spannungsveränderungen ein- oder ausgangseitig und wacht dann auf. Der Roller wird nur über den Controller und den DC-DC-Converter eingeschaltet.
techniker1484 hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2025, 12:48
Brauche ich dann ein anderes Ladegerät um den Akku auf 66v zu laden?
Ein anderes Ladegerät? Was für eins ist denn vorhanden? Noch für Bleiakkus? Du hattest doch schon neue Zellen eingebaut. War da kein Ladegerät dabei? Ladeschlussspannung bei 16S wäre 67,2V.
techniker1484 hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2025, 12:48
Wenn man den akku auf 17S umbauen würde, muss man dann auch am Roller was machen? Oder macht er das so mit? 16s und 17s kein problem
Das kommt drauf an. Grundsätzlich sind die Controller da gutmütig. Aber wenn der Controller nicht programmierbar ist, dann ist er auf eine obere und untere Spannung eingestellt. Das muss natürlich passen.
Also am Besten schreibst du noch mal, wie die ursprüngliche Konfiguration aussah und was da für ein Controller drin ist.
Schöne Grüße, Bertolt
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